Parallel C | Donnerstag

15:00 – 16:30 Uhr

Bibliothek Ideenreich (Hauptraum)

E. Waltersbacher, M. Gora: “Partizipation, und dann? Kommentierung der Partizipationsinitiative IdeenLauf durch Wissenschaft und Forschungspolitik”
Moderation: M. Wingens
Kommentar:
T. Abendschein-Angerstein (BMBF)
M. Grund (Mitglied der Jury des IdeenLaufs)
U. Dittmann (Mitglied im Citizen Panel des IdeenLaufs)

Wie können wir Bildung gerechter verteilen? Wird die KI irgendwann schlauer als wir Menschen? Wie verändert moderne Medizin die Evolution? Wie klingt das Universum? Warum gibt es so viel Hass auf Social Media? Werden wir irgendwann ewig leben können?

Mit diesen und vielen weiteren Fragen beschäftigte sich die Partizipationsinitiative IdeenLauf im Wissenschaftsjahr 2022 – Nachgefragt!. Unter dem Motto #MeineFragefürdieWissenschaft wurde die Bevölkerung dazu eingeladen, ihre Fragen für die Wissenschaft zu stellen. Über 14.000 Fragen wurden im Rahmen des IdeenLaufs gesammelt und durch Gremien aus Bürger*innen und Wissenschafler*innen geprüft, sortiert und zu thematischen Clustern gebündelt. Das Ergebnis sind 59 Cluster, die sich beispielsweise mit dem Schutz unseres natürlichen Lebensraums, der Bedeutung von Kunst und Kultur, geschlechterspezifischen Unterschieden in medizinischer Forschung, dem Ursprung des Universums, der Speicherung von Energie, der Definition von Arbeit, Künstlicher Intelligenz und dem Austausch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft befassen. Die entstandenen Cluster wurden in einem Ergebnispapier IdeenLauf – Gesellschaftliche Impulse für Wissenschaft und Forschungspolitik festgehalten, das im November 2022 an Vertreter*innen aus Politik und Wissenschaft übergeben wurde.

Wie geht es weiter mit den Fragen? Im Anschluss an das Wissenschaftsjahr 2022 wurde das Ergebnispapier durch Mitgliedsorganisationen der Allianz der Wissenschaftsorganisationen sowie das BMBF dahingehend überprüft, wo bereits Forschung und Forschungsförderung stattfinden und wo künftige Maßnahmen ansetzen könnten. Im Rahmen des Panels wird der partizipative Prozess des IdeenLaufs reflektiert und ein erster Einblick in die Verwertung des Ergebnispapiers gegeben. In der anschließenden Diskussion werden die Chancen und Herausforderungen von Partizipation und ko-kreativer Zusammenarbeit diskutiert: Welche Lehren lassen sich für die Beteiligung von Bürger*innen an Wissenschaft und Forschungspolitik ziehen?

Bibliothek Raum 311

Teil II Workshop: E. Nagy, M. Schäfer, L. Theiler, O. Marg, S. Hecker: „Synergien und Trade-offs. Zum Verhältnis wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Wirkungen in der transdisziplinären Forschung und bei Citizen Science”

Transdisziplinäre Forschung ist dadurch gekennzeichnet, dass sowohl gesellschaftliche als auch wissenschaftliche Wirkungen erzielt werden sollen. Das Verhältnis zwischen wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Wirkungen kann sehr unterschiedlich ausgestaltet und durchaus spannungsgeladen sein. Sowohl Synergieeffekte als auch Zielkonflikte (Trade-offs) sind möglich. Ein starker gesellschaftlicher Problembezug kann wissenschaftliche Prozesse und ihre Ergebnisse legitimieren, und wissenschaftlich generierte Erkenntnisse können gesellschaftliche Akteure und deren Anliegen stärken. Umgekehrt kann es zu Zielkonflikten zwischen gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Wirkungen kommen, denn beide Wirkungsarten müssen mit viel Zeit und Energie vorbereitet werden, sodass das Anstreben der einen Wirkungsart auf Kosten der anderen gehen kann. Befördert wird dieser Zielkonflikt durch die unterschiedlichen Funktionslogiken und Rationalitäten von Wissenschaft und Praxis bzw. den Kontextbedingungen, in denen Wirkungen entstehen. Auch Citizen Science-Initiativen intendieren und erzielen unterschiedliche Wirkungsarten. Citizen Science ist vom Interesse der Wissenschaft und Bürger und Bürgerinnen geprägt, neue, wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse gemeinsam zu generieren. Im Ursprung der Begrifflichkeit in den 1990er Jahren waren dabei zwei Strömungen relevant: Die eine zielte auf den Wissens-gewinn in Form von wissenschaftlich erhobenen Biodiversitätsdaten mithilfe von Citizen Scientists, die andere auf die soziale Dimension der Teilhabe der Citizen Scientists an Forschung. Damit war bereits eine mögliche gesellschaftliche Wirkung beabsichtigt. Zugleich zeichnen sich die Bemühungen in der internationalen Community um den Forschungsansatz von Anfang an auch auf einer politischen Ebene ab. Die Erwartungshaltung der Politik ist zugleich anspruchsvoll, was Citizen Science erreichen soll. Diese Komplexität verschiedener (erwarteter und tatsächlich nachweisbarer) Wirkungen von Citizen Science soll nun der transdisziplinären Forschung gegenübergestellt werden. In diesem Workshop werden wir nach zwei kurzen Inputs zum Verhältnis wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Wirkungen in der transdisziplinären Forschung und in Citizen Science die Fragen nach Verstärkung von Synergien und Vermeidung von Trade-offs in Gruppen diskutieren. Wir wollen der Frage nachgehen, welchen Strategien Forschende auf individueller und Projektebene im Umgang mit wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Wirkungen verfolgen. Im ersten Schritt diskutieren Forschende derselben Forschungsmodi in Arbeitsgruppen, dann wird die Diskussion in gemischten Gruppen fortgesetzt. Im Abschluss werden die Erkenntnisse der Arbeitsgruppen im Plenum gemeinsam reflektiert. Ziel des Workshops ist, Erfahrungen und bewährte Strategien aus der Praxis beider Forschungsmodi zu sammeln und gemeinsam zu bewerten. Eine Frage ist dabei, wo (u. a. angesichts unterschiedlicher Zielstellungen) bei transdisziplinärer Forschung und Citizen Science Gemeinsamkeiten und Unterschiede hinsichtlich der Verhältnisse zwischen wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Wirkungen liegen. Anmerkung: Dieser Workshop baut auf dem Panel „Gesellschaftliche und wissenschaftliche Wirkungen verschiedener Forschungsmodi – Perspektiven aus transdisziplinärer Forschung und Citizen Science“ auf. Die Teilnahme am Panel ist vorteilhaft für die Teilnahme am Workshop.

Bibliothek Raum 211

P. Graf, M. Marquardt, J.-N. Voigt-Antons: „Beziehungsarbeit in partizipativen Forschungskontexten – Lösung oder Folgeproblem?”

In der wissenschaftlichen Praxis wird zunehmend ein partizipativer Ansatz vonseiten der Universitäten, der Projektträger sowie auch von der wissenschaftlichen Community selbst gefordert. Zugleich steht mittlerweile ein umfangreiches Wissen darüber zur Verfügung, wie die Teilhabe nicht wissenschaftlicher Akteure gelingen kann. Grundlage vieler Vorhaben ist es dabei, dass eine sogenannte interessierte Öffentlichkeit freiwillig, engagiert und meist unbezahlt in einem moderierten Prozess teilnimmt oder aber – utopisch formuliert – den Prozess der eigenen Teilhabe am besten gleich selber mitgestaltet. Da für diese Zusammenarbeit keine organisationalen Strukturen (Mitgliedschaften/Hierarchien) bestehen, wird die partizipative Arbeit üblicherweise in informellen Beziehungen organisiert und sichergestellt. Ein zentrales Kriterium für das Gelingen solcher Prozesse liegt daher in der persönlichen Beziehung zwischen Forschenden und Ko-Forschenden – aktive Beziehungsarbeit ist folglich ein wesentlicher Bestandteil partizipativen Forschens. Mit aktiver Beziehungsarbeit meinen wir dabei das Anbahnen, Aufbauen und Pflegen von zwischenmenschlichen Beziehungen.
Diesen – in der Literatur zumeist implizit positiv dargestellten – Zusammenhang zwischen Beziehungsarbeit und Forschungspraxis möchten wir in unserem Beitrag kritisch reflektieren. Ausgehend von unseren praktischen Erfahrungen mit unserem PatientInnenbeirat im MIA-PROM Projekt möchten wir ethische, institutionelle und forschungspraktische Implikationen diskutieren, denen wir im Lauf unseres Projekts begegnet sind. Im Verbundprojekt MIA-PROM entwickeln wir ein multimodales, interaktives Assistenzsystem zur Erhebung von PatientInnenfragebögen (PROMs = patient-reported outcome measures). Das System soll Befragungshürden reduzieren, die Befragungssituation barriereärmer gestalten und so auch bislang unterrepräsentierte Gruppen besser einbeziehen.
Unsere Kernthese ist, dass persönliche Beziehungen zwar vollkommen zu Recht ein sehr positives Image genießen, da sie auch im Arbeitskontext Grundlage positiver Interaktionserfahrung sind, dass sie jedoch zugleich formale Arbeitszusammenhänge irritieren und informell verfasste Folgeprobleme nach sich ziehen können. So kann es vorkommen, dass projektierte Abläufe behindert (etwa durch zusätzliche, nicht formal eingebundene “Mitarbeitende”), ethisch fragwürdige Arbeitskontexte aufgespannt (Stichwort unbezahlte Arbeit) und die wissenschaftliche Praxis korrumpiert werden (Stichwort sozialer Druck, der aus der persönlichen Beziehung erwächst). Anschließend an die provokante Problemanalyse, die wir vor dem Hintergrund der klassisch soziologischen Organisationstheorie erarbeiten, formulieren wir Vorschläge für regulatorische Anpassungen sowie die Rahmenbedingungen von Projektförderungen für gelungene und vor allem nachhaltige Partizipation in der Wissenschaft.

K. Block: „Epistemic Caring”

Der Vortrag stellt das Konzept des Epistemic Caring vor, das ich in meinem Projekt „Von einer Gesellschaft in Sorge zu einer sorgenden Gesellschaft“ entwickelt habe. Grundlage dafür waren u.a. Interviews, die ich im Sommer 2022 mit international tätigen und disziplinär diversen Wissenschaftler*innen geführt habe, deren gemeinsame Nenner Forschung zur gesellschaftlichen Ökologisierung ist. Fünf von sieben Interviewees erwiesen sich als Forschende, die vorwiegend transdisziplinäre bzw. partizipative Forschung und/oder angewandte Forschung betreiben. Als bemerkenswert empfand ich es, dass die Interviewees weniger die positiven Parameter dieser Forschungsformen, wie gelungenes Empowerment der Nicht-Akademiker:innen durch Partizipation oder das Ziel der Democratization of Sciences hervorhoben, sondern vor allem die auch nach über 30 Jahren Durchführung solcher Forschungsformen bestehenden Diskrepanzen zwischen Idee und Praxis partizipativer Forschung. Sehr zentral war dabei die Zurückweisung möglicher expertokratischer Attitüden gegenüber Nicht-Akademia sowie eine epistemologisch sensible und nicht-elitäre Wissensproduktion und -vermittlung. Diese Beobachtung gibt mir den Anlass danach zu fragen, welchen Stellenwert epistemologische Aspekte in partizipativer Forschung eigentlich haben. Werden sie ausschließlich im Rahmen politischer Konzepte diskutiert oder auch mit ethischen Überlegungen verknüpft? Wie könnte eine partizipative Wissenschaft aussehen, die ethische Aspekte epistemologischer Differenz zentraler stellt, als dies bislang der Fall ist?
Was ich im Vortrag vor dem Hintergrund dieser Fragen machen werde, ist, in einem ersten Schritt Anspruch und Kritik an partizipativer Wissenschaft zu beleuchten. Dabei wird sich herausstellen, dass darin zwar konzeptionell ethische Aspekte in epistemologischer Hinsicht angedacht sind, diese aber nicht als universell gültig gesetzt werden können. Dies wird insbesondere von post-kolonialen Perspektiven im Diskurs betont. Diesen Befund aus dem Forschungsstand nehme ich anschließend zum Anlass, mich exemplarisch mit einem spezifischen Konzept partizipativer Forschung auseinanderzusetzen und es hinsichtlich einer problematischen hegemonialen Epistemologie zu befragen, namentlich: Empowerment. Dieses werde ich mit Konzepten kontrastieren, mit denen die Vorstellung einer ethisch sensiblen Wissenschaft (Haraway 2016) entstehen kann. Dies ist zum einen das Konzept der Co-Konstitution und zum anderen das Konzept des höflichen Fragens von Vinciane Desprets. Damit schließe ich an eine jüngere Debatte an, die am Schnittpunkt von STS und Environmental Humanities neben politischen insbesondere ethische Aspekte wissenschaftlicher Wissensproduktion im Anthropozän problematisiert. Davon inspiriert entwickle ich im letzten Schritt ein Konzept wissenschaftlicher Praxis, das ich epistemic caring nenne und zur Wiederbelebung ethischer Aspekte von epistemologischer Differenz in partizipativer Forschung vorschlagen möchte. Im Anschluss an Bellacasa (2017) möchte ich partizipative Forschung als ein Matter of Care rekonzeptualisieren, das aus multiplen Care-Relationen besteht. Diese Care-Relationen bilden gewissermaßen selbst einen ökologischen Zusammenhang, der eine Ökologisierung des Denkens erfordert, um die darin bestehenden komplexen epistemischen Verwobenheiten und Angewiesenheiten zu begreifen. Diese Beziehungen zwischen den akademischen und nicht-akademischen beteiligten als Care-Relationen zu fassen, hilft zudem dabei, zu verstehen, dass diese Beziehungen grundsätzlich prekär und transformativ sind, ihnen deshalb eine grundsätzliche ethicality (Bellacasa 2017) inhärent ist, für die es eine Sensibilität herzustellen gilt, um epistemische Ungleichheiten in den Blick bekommen zu können, die eher unsichtbar als offensichtlich sind. Das Konzept des epistemic caring schreibt daher keine konkreten Leitlinien wie Empowerment vor, sondern will vor allem sensibilisieren für die eigene, die alteritäre und gemeinsame Verwobenheit in verschiedene Dimensionen der Co-konstitution von Wissen.

S. Fücker: „Wissenstransfer als Schauplatz gesellschaftlicher Verständigung – Empirische Einblicke in transdisziplinäre Forschungskooperationen”

Als Lösungsversprechen aktueller Legitimationskrisen der Wissenschaft werden immer wieder Forderungen an ›bessere‹ Übersetzungs- und Vermittlungsformen im Wissenstransfer gehandelt. Als mittlerweile eigenständige Leistungsdimension im Wissenschaftssystem wird von der Wissenschaft erwartet, dass sie zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beiträgt (Maasen & Sutter, 2022). Als vielversprechende Antwort auf solche Forderungen etablieren sich seit geraumer Zeit partizipative und transdisziplinäre Forschungsformate. Wissen wird darin unter dem Vorzeichen eines »new mode of knowledge production« (Gibbons et al., 1994) kollaborativ zwischen wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Akteuren erzeugt und für eine Verwendung in der Gesellschaft nutzbar gemacht.
Unbeachtet bleibt in Auseinandersetzungen darüber aber in der Regel die Praxis des Transfers selbst: Eine Leerstelle bildet die Reflexion darüber, wie die Verständigung im Wissenstransfer zwischen Akteuren aus Wissenschaft und gesellschaftlichen Praxisfeldern, wie Politik, Zivilgesellschaft oder Wirtschaft auf einer sozialen Ebene stattfindet.
Mit Blick auf die »heterogene Kooperationsstruktur« (Strübing et al., 2004, S. 7) kommt die Beziehung zwischen Wissenschaft und Praxis nicht ohne Konflikte aus. An partizipativen und transdisziplinären Forschungskooperationen beteiligte Akteure sind Mitglieder unterschiedlicher Wissenskulturen, sprechen verschiedene ›Sprachen‹ und sind in jeweils spezifische Organisationssysteme eingebunden. Forschende und außerwissenschaftliche Akteure bringen in die gemeinsame Erkenntnisproduktion unterschiedliche Wissensbestände und Arbeitsweisen ein (Schneidewind, 2015). Daraus ergeben sich Konfliktpotentiale (Symanski, 2013). So z.B. im Hinblick auf konkurrierende Selbstverständnisse und Rollenerwartungen, aber auch unterschiedliche Interessen und Ziele, die in die Zusammenarbeit einfließen. Ungeklärt bleibt in diesem Zusammenhang, wie sich wissenschaftliche und praxisorientierte (Selbst-)Verständnisse zueinander verhalten bzw. was Akteure aus Praxis und Wissenschaft in Forschungsbündnissen voneinander erwarten dürfen, um auf gesellschaftliche Bedarfe an Wissenstransfer reagieren zu können (Luhmann, 1990, S. 216). Wer und was entscheidet folglich über die gesellschaftliche Nützlichkeit von Forschungswissen und damit über wissenschaftliche »truths that matter« (Kitcher, 2004, S. 54)?
Anhand von Ergebnissen einer Fallstudie soll im Beitrag aus wissenschaftssoziologischer Perspektive diskutiert werden, wie sich in transdisziplinären Forschungskooperationen wissenschaftliche und gesellschaftliche Nützlichkeitsverständnisse zueinander verhalten. Auf dieser Basis ist am Beispiel von leitfadengestützten Expert:inneninterviews mit Wissenschafts- und Praxisakteuren eines transdisziplinären Projektverbunds zu zeigen, dass eine Verständigung von Forscher:innen und Praktiker:innen durch

  • kooperative, auf einen Konsens oder Kompromiss abzielende;
  • transformative, auf Veränderungen ausgerichtete und
  • dissensorientierte, auf Differenzen und Grenzen aufmerksam machende Praktiken vorgenommen wird.

Mit den empirischen Ergebnissen ist abschließend zu diskutieren, dass für die weitere Institutionalisierung von partizipativer und transdisziplinärer Forschung nicht nur daran gelegen ist, die Systemintegration zwischen Wissenschaft und gesellschaftlichen Teilbereichen wie Politik, Wirtschaft und engagierter Zivilgesellschaft zu fördern. Stärker in den Blick zu nehmen ist unter dem Gesichtspunkt der Sozialintegration die Ebene der Beziehungen und kooperativen Praktiken zwischen beteiligten Akteuren.

K. Schmidt: „Die interaktive Herstellung von Beteiligung als Herausforderung partizipativer Forschung mit Menschen mit Lernschwierigkeiten – eine ethnomethodologisch-konversationsanalytische Untersuchung”

Obgleich Partizipative Forschung zunehmende Anerkennung erfährt und die Teilhabe von nicht akademische Personen bereits vielfach ermöglicht wird, stellt die Frage, was das spezifisch (nicht) Partizipative charakterisiert, in der Fachliteratur noch eine Leerstelle dar. Der Vortrag basiert auf den Ergebnissen meiner Dissertation und knüpft an dieses Desiderat an. Ausgehend von der Grundannahme, dass Partizipation kein feststehender Zustand, sondern ein fortwährender reziproker Prozess ist, wurden die soziale Ordnung und die Vollzugswirklichkeiten zwischen partizipativ Forschenden (einer Wissenschaftlerin und fünf Menschen mit Lernschwierigkeiten in der Rolle der Expert*innen aus Erfahrungen) erforscht. Am Datenmaterial entlang (anhand von ca. 2 Sequenzausschnitten in Form von Audioaufnahmen und Transkripten) möchte ich zunächst darlegen, wie sich die Forschenden in verschiedenen partizipativen Forschungsphasen aufeinander beziehen und dabei partizipative Momente sowie Gelegenheitsbarrieren (Niediek 2018) hervortreten. Dann werden die zentralen (nicht) partizipativen Situationen der Forschungsgruppe auf sprachlich-kommunikativer Ebene als konkrete Praktiken exploriert sowie erörtert, ob basierend auf dem heuristischen Mehrebenenmodell der Teilhabe nach Dederich und Dietrich (2022) die einzelnen Praktiken das Potenzial besitzen, eine subjektiv erlebte Teilhabeerfahrung bei den partizipativ Forschenden auslösen. Vor dem Hintergrund theoretischer Vorüberlegungen zu gängigen Partizipationsmodellen werden die empirischen Erkenntnisse betrachtet und aufgezeigt, dass die ethnomethodologisch-konversationsanalytische Untersuchungsweise Partizipation als Praktik in einer triadischen Struktur erfasst. Diese wird als Modell veranschaulicht und zur Diskussion gestellt.

Hauptgebäude Raum 202

L. Brings, M. Wanner, A. Förster, M. Egermann: „Woran hakt´s? Herausforderungen der trialogischen Zusammenarbeit von Forschenden, Stadtmachenden und Verwaltungsmitarbeitenden in der nachhaltigkeitsorientierten Stadtentwicklung”

Über die letzten Jahre hat sich die Zusammenarbeit von (transformativ) Forschenden, Stadtmachenden und Verwaltungsmitarbeitenden verstärkt. Unter anderem in Reallaboren arbeiten die drei Akteursgruppen oftmals projektgebunden und kurzfristig zusammen, um gemeinsam nachhaltigkeitsorientierte Transformationen im Raum zu erreichen (Bulkeley et al., 2019; Fuenfschilling et al., 2019, Wanner et al. 2022). Dabei stehen der Zusammenarbeit zur Bewältigung dringlicher Transformationsaufgaben (wie dem Klimawandel) multiple Herausforderungen entgegen – von Kommunikationsschwierigkeiten über zeitliche Einschränkungen, divergierenden Zielen und Erwartungen bis hin zu Unklarheiten über Rollen und Zuständigkeiten (Walk, 2013; Weyrich, 2016). Die Frage, auf welchen Ebenen diese Herausforderungen einzuordnen sind und wie sie zusammenhängen, hat ein transdisziplinäres Forschungsteam untersucht. Im Jahr 2022 und 2023 fanden dazu verschiedene Workshops mit den jeweiligen Akteursgruppen – mal getrennt, mal gemeinsam – statt. Dabei wurde die These verfolgt, dass erstens die Akteursgruppen über jeweilige Ressourcen und Möglichkeiten verfügen, die den anderen Gruppen fehlen (d.h. sie sich gezielt nutzen lassen) und zweitens, dass aus einer qualitativen und langfristigen, (d.h. strategischen Zusammenarbeit) eine verbesserte Bewältigung aktuell dringlicher Transformationsaufgaben und Krisen erwachsen kann.
In diesem Beitrag sollen die Ergebnisse des knapp zweijährigen Forschungsprozesses präsentiert und vor dem Hintergrund der möglichen Ansatzpunkte einer verbesserten (strategischen) Zusammenarbeit diskutiert werden. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Herausforderungen auf unterschiedliche Ebenen beziehen: die institutionelle Ebene, das Individuum, den Trialog sowie die im jeweiligen lokalen Kontext bestehenden Rahmenbedingungen. Sie sind dabei interdependent und haben direkte Auswirkungen auf die jeweils anderen Ebenen. Daraus lässt sich ableiten, dass auch die Ansatzpunkte auf verschiedenen Ebenen zu finden sind – von einer Änderung der Förderkulisse zu einem Kulturwandel und der Schulung der Individuen.

A. Steglich, G. Bürgow, A. Podann: „Zwischen Wissenschaftlichkeit, Improvisation und Serviceorientierung – Transferräume erkennen und aufspannen mit der StadtManufaktur der TU Berlin”

Zwischen Wissenschaftlichkeit, Improvisation und Serviceorientierung – Transferräume erkennen und aufspannen mit der StadtManufaktur der TU Berlin Keywords: Reallabore, Institutionalisierung, Urbane Transformation, Etablierte Erfolgskriterien, Publikationsmöglichkeiten und generell Reputationssysteme lassen immer noch wenig Raum für die Qualifikationen und Kompetenzen der Reallaborarbeit. Transdisziplinarität gilt generell als institutionelle Herausforderung für Universitäten (Ahrend et al., 2021).
In diesem Zusammenhang beleuchtet der Beitrag die Entwicklung der StadtManufaktur, Reallaborplattform der Technischen Universität Berlin. Die TU-StadtManufaktur ist in der Stabsstelle Wissenschaft und Gesellschaft des Präsidiums der TU Berlin verankert, ihre Arbeit ist Bestandteil der Transferstrategie der TU Berlin. Der Beitrag wird damit wesentlich zur Beantwortung der im Call aufgeworfenen Frage nachgehen: Wie ist das Verhältnis zwischen Serviceorientierung und Wissenschaftlichkeit von Partizipation in der Wissenschaft? Welche Rollenverständnisse und Mischmodelle ergeben sich daraus? Im Mittelpunkt stehen thematische und strukturelle Herausforderungen für Reallaborarbeit im Berliner Raum– wo verankert sich die TU-StadtManufaktur und wie werden Projekte strukturiert? Wie gestalten sich Transferräume und welche Rollen übernehmen die Akteure – zwischen Improvisation, Wissenschaftlichkeit und Serviceorientierung? Die Metropolregion Berlin-Brandenburg ist eine Region mit Transformationserfahrung, der engere Berliner Raum eine dynamisch wachsende, d.h. durch starken Zuzug geprägte Region. Durch diese Rahmenbedingungen entwickeln sich Eigendynamiken, also regionale Herausforderungen und Transformationsdiskurse. Dazu gehören z.B. die Transformation der bestehenden Wasserinfrastruktur im Bereich Regenwassermanagement und Zirkularität/ Wasserrecycling, die Bauwende, d.h. die Beachtung von Ressourcenfragen und Kreislaufwirtschaft im hoch dynamischen Baugeschehen und auch die Umsetzung des Berliner Mobilitätsgesetzes. Die StadtManufaktur entwickelt innerhalb und für diese Transformationsdiskurse Reallabore und strategische Projekte. In den auf der Plattform versammelten Reallaboren kooperieren Akteure aus Wissenschaft und Stadtgesellschaft beispielgebend und zum Teil räumlich übertragbar zu den genannten Transformationsthemen. Hier werden Partizipation und Ko-Produktion in Klimaschutz und Klimaanpassung (https://stadtmanufaktur.info/reallabore/mobile-blau-gruene-infrastruktur-bgi/, https://stadtmanufaktur.info/reallabore/roof-water-farm/, in der Bauwende (https://stadtmanufaktur.info/reallabore/my-co-place/, https://stadtmanufaktur.info/reallabore/haus-der-materialisierung/) und im Mobilitätsbereich (https://www.radbahn.berlin/en, https://stadtmanufaktur.info/reallabore/experi/) gelebt, entwickelt und dokumentiert. Dies geschieht zu gleichen Teilen durch engen Kontakt zu universitären Akteuren und ihren Forschungsprojekten, durch engen Kontakt zu Akteuren der Stadtverwaltung und der Stadtgesellschaft sowie durch Kommunikation von konkreten Bedarfen innerhalb des bereits entstandenen Netzwerks verschiedener Reallabore in Berlin. Angebote sind sowohl wissenschaftlich motiviert, hier kann es z.B. um die Verknüpfung von Diskursen (z.B. Wasser-Energie-Nahrung) im Bereich Partizipation, um konkrete fachliche Studien zu Produkten und/oder Prozessen (z.B. Wasserqualität, Klimaanpassung) im Kontext von Partizipation um die Auswertung und Dokumentation von Realexperimenten (z.B. Mobilität) gehen. Ebenso gibt es eher serviceorientierte Angebote, wie z.B.: methodische Beratung und Unterstützung in der Entwicklung und Gestaltung von Reallaboren und Citizen Science-Strategien (z.B. Struktur, Dokumentation von Reallaborarbeit, Genese von Transformationswissen) Kommunikation und Multiplikation von Forschungsfragen und -ergebnissen im Reallaborkontext (z.B. Online-Formate, Veranstaltungen) strategische Integration der Stadtgesellschaft, Begleitung von Teilhabestrategien im Kontext von Forschungs- und Gestaltungsstrategien (z.B. Aktionstage, Datensammlung, Monitoring, DIY-Workshops) Insbesondere die Fähigkeit zu experimentieren und in der Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteuren aus Wissenschaft, Verwaltung und Stadtgesellschaft zu improvisieren ist ein zentrales Themenfeld in der alltäglichen Arbeit, weil: die Entwicklung von integrierten Handlungsfeldern, Reallaboren und transdisziplinären Strategien stellt oft tradierte Akteurssysteme und Handlungslogiken, manchmal auch Alltagsroutinen in Frage. Insbesondere mit Blick auf den eigenen Campus als Reallabor und Handlungsfeld für Klimaanpassung werden Akteure zu Change-Agents, Transformationsmanagementprozesse werden angestoßen.

P. Siegele, M. Eriksröd-Burger: „Public Engagement with Science – Maßnahmen zur Stärkung des Vertrauens in Wissenschaft”

Public Engagement with Science ist in den letzten Jahren über das Feld der Wissenschaftskommunikation hinaus zu einem Buzzword für Akteur/innen aus Politik, Medien, Wissenschaft und Bildung geworden. Spätestens seit der letzten Eurobarometer-Umfrage zur Einstellung der europäischen Bevölkerung zu Wissenschaft und Technologie (2021) haben sich in Österreich die Bemühungen intensiviert, Wissenschaft und Gesellschaft näher zusammenzubringen, gab doch mehr als die Hälfte der befragten Österreicher/innen u.a. an, dass Wissenschaft für sie keine Rolle in ihrem Alltag spiele. Damit gehört Österreich zu den Schlusslichtern in der EU. Der dadurch ausgelöste Diskurs im Land spiegelt die Suche nach den Ursachen für die Wissenschaftsskepsis und mögliche Ansätze zur Stärkung des Vertrauens in die Wissenschaft wider. Das österreichische Wissenschaftsministerium hat Ende 2022 mit dem „TruSD: 10-Punkte-Programm zur Stärkung des Vertrauens in Wissenschaft und Demokratie in Österreich“ auf die Ergebnisse der Eurobarometer-Umfrage reagiert. Als Agentur für Bildung und Internationalisierung unterstützt der OeAD bei der Umsetzung dieses Schwerpunktes.
Der Vortrag beschäftigt sich mit unterschiedlichen Formen des Public Engagements with Science, also der wechselseitigen Interaktion von Akteur/innen der Öffentlichkeit und der Wissenschaft, die vom OeAD im Auftrag des Wissenschaftsministeriums in Österreich koordiniert werden. Während immer noch viele Maßnahmen der Wissenschaftsvermittlung auf dem sog. Defizitmodell mit dem Ziel des (unidirektionalen) Wissenstransfers beruhen, sollen auf Basis der Theory of Change for Public Engagement with Science (AAAS, 2016) weitere Möglichkeiten zur Stärkung des Vertrauens in Wissenschaft aufgezeigt und anhand dreier Beispiele illustriert werden.

  1. Das Forschungsförderprogramm Sparkling Science (seit 2021 Sparkling Science 2.0) fördert seit 2007 qualitativ hochwertige Citizen-Science-Forschungsprojekte, in welchen wissenschaftliche Institutionen mit Bildungseinrichtungen und (wenn möglich) Partner/innen aus Wirtschaft und Gesellschaft zusammenarbeiten. Bis 2019 beteiligten sich mehr als 4.200 Forschende sowie über 101.000 Schüler/innen und Lehrpersonen in insgesamt 299 wissenschaftlichen Projekten. Im Rahmen der seit Herbst 2022 laufenden Projekte sollen weitere 74.000 Personen aktiv in den Projekten mitarbeiten.
  2. Der Wettbewerb Citizen Science Award lädt seit 2015 Schulklassen und Einzelpersonen sowie seit diesem Jahr auch Familien ein, bei ausgewählten Forschungsprojekten mitzumachen. Die engagiertesten Citizen Scientists werden im Rahmen einer Festveranstaltung ausgezeichnet. Mittlerweile haben mehr als 19.000 Personen an 50 Forschungsprojekten teilgenommen und die Forschung mit über 150.000 Beiträgen unterstützt.
  3. Seit 2015 besuchen Forschende unterschiedlicher Disziplinen ehrenamtlich Schulklassen, um von ihrem Forschungsalltag und beruflichen Werdegang zu erzählen. Im Rahmen des TruSD-Programms wurden sie von Bundesminister Martin Polaschek zu Wissenschaftsbotschafter/innen ernannt und erhalten seither eine weit größere Aufmerksamkeit. Waren im Vorjahr noch insgesamt 52 Forschende an 163 Schulen unterwegs, so fanden allein im ersten Halbjahr 2023 bereits 195 Schulbesuche von 84 Wissenschaftsbotschafter/innen statt.

Im Rahmen des Vortrags sollen somit anhand dieser partizipativen Maßnahmen Wege aufgezeigt werden, wie durch die aktive Einbindung Barrieren zwischen Wissenschaft und Gesellschaft abgebaut und ein Mehrwert für alle generiert werden kann.

R. Jende: „Gesellschaft verändern! Konturen einer performativen Soziologie”

“All the world’s a stage, and all the men and women merely players; they have their exits and their entrances; and one man in his time plays many parts…” (William Shakespeare) Welche Soziologie braucht eine zukunftsfähige Gesellschaft? Genügt es, gesellschaftliche Verhältnisse, Strukturen, Ereignisse, Interaktionsmuster etc. nachzuzeichnen und zu kritisieren? Wie kann eine engagierte Soziologie in Zeiten radikaler Umbrüche aussehen? Was kann sie leisten? In meinem Beitrag möchte ich den transdisziplinären und partizipativen Forschungsansatz vorstellen, der mit dem Label performative Soziologie bezeichnet ist. Performative Soziologie ist ein umbrella term. Er verweist darauf, eine spezifische Form öffentlicher Soziologie zu sein, eine, die mit künstlerischen Mitteln arbeitet und sich die Eigenschaften des Performativen für die Komplizenschaft und das Spiel mit Öffentlichkeiten zunutze macht. Es handelt sich um einen genuin transdisziplinären und partizipativen Forschungsansatz, denn ohne Mitglieder der Gesellschaft, in die sich diese Soziologie hineinbegibt, ist keine Erkenntnis über transformative Praxis zu haben. Performative Soziologie ist ein auf zukünftige Möglichkeiten des Zusammenlebens fokussierte Gestaltungswissenschaft, die in experimenteller Weise außerordentliche Möglichkeiten gesellschaftlicher Organisation und sozialer Interaktion mitspielt und nach- bzw. vorvollzieht. In diesem Sinne ist sie eine präfigurative öffentliche Soziologie, die ein zukünftiges Zusammenleben mitspielt und deren Gelingensbedingungen aus einer durchlebten Erfahrung für eine zukünftige Praxis anschlussfähig macht. Sie hat ihren Ort inmitten unterschiedlicher Öffentlichkeiten und sucht experimentell und multisensorisch nach Auswegen aus strukturierten und strukturierenden Strukturen (Bourdieu), um diese für Gestaltungsprozesse zu öffnen. In meinem Beitrag möchte ich wissenschaftstheoretische, konzeptionelle, methodische, didaktische und ethische Implikationen performativer Soziologie anhand ausgewählter Fallbeispiele präsentieren. Dabei soll deutlich gemacht werden, wie eine offensiv transdisziplinäre und partizipative Methodik zu gesellschaftlichen Veränderungen beitragen kann. Besonderes Augenmerk wird auf den spielerischen und dramatischen Zugang zur Wirklichkeit gelegt. Der niederländische Kulturhistoriker Johan Huizinga (1938) hat in seiner Untersuchung zum spielenden Menschen gezeigt, dass gesellschaftlichen Institutionen zwischenmenschliche Spiele vorausgehen. Die gesellschaftlichen Verhältnisse, die über Rituale und Gewohnheiten zur Normalität geronnen sind, können im Spiel zum tanzen gebracht werden, um neue kulturelle Formen zu finden. performatives Lernen (Jende 2020a) und öffentliche Krisenexperimente (Jende 2020b) sind die entsprechenden didaktischen und methodischen Zugänge zu einer aufs Spiel zu setzenden Realität. Das performative Lernen ergreift das lernende Subjekt in seiner sinnlichen, emotionalen und kognitiven Verfasstheit – es reicht also tiefer als traditionelle Formen des belehrenden Wissenstransfers. Das öffentliche Krisenexperiment irritiert routinisierte Normalitäten im öffentlichen Raum in ihrem Alltag und macht dadurch Wirkkräfte gesellschaftlicher Ordnung für die involvierten Subjekte erfahrbar. Im Performativen liegt die Kraft, eine andere Gesellschaft einzuspielen. Als transdisziplinäre und partizipative Erfahrungswissenschaft (vgl. Bogusz 2018) kann Soziologie dabei behilflich sein, mit alternativen Zukünften zu experimentieren. Nicht nur diskursiv, sondern vor allem performativ in Übungen und Gesellschaftsspielen.

Hauptgebäude Raum 208

A. Bergner: „Partizipation und Co-Creation bei Helmholtz”

Partizipationsformate zur Gestaltung von ko-kreativer Kooperation erleben auch in der größten deutschen Forschungsgemeinschaft, der Helmholtz-Gemeinschaft einen Aufschwung. Die großen deutschen Forschungszentren, wie das Deutsche Krebsforschungszentrum, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt oder das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung stehen so wie viele andere Wissenschaftseinrichtungen vor der Herausforderung, den Zugang zu eigenen Laboren und strategischen Infrastrukturen zu öffnen, um die Mitarbeit von externen Partnern in ko-kreativen Kooperationsformaten zu ermöglichen. Die Zusammenarbeit mit unternehmerischen Partnern im Rahmen des Technologietransfers steht dabei traditionell im Vordergrund, denn es sind insbesondere die technisch-methodischen Fragestellungen, an denen bei Helmholtz geforscht wird. Zunehmend öffnet sich Helmholtz aber auch ko-kreativen Formaten mit Bürgerbeteiligung, Stakeholder-Engagement von NGOs und anderen. Hier entstanden kreative Ansätze des Dialogs und des partizipativen Austauschs zu Umwelt- und Klimafragen oder Aspekten der Gesundheitsforschung. In den partizipativen Formaten stellt sich jedoch immer wieder die Frage, wie das Miteinander so gestaltet werden kann, dass tatsächlich beide Seiten gleichwohl ihre Expertisen einbringen und somit echte Co-Creation entsteht? Welche Ansätze haben sich innerhalb von Helmholtz als besonders geeignet gewährt, um Wissen und Kapazitäten nicht nur in eine Richtung fließen zu lassen? Hierzu sollen erste Praxis-Erfahrungen und Konzeptideen präsentiert werden.

C. Endter, A. Osterheider, M. Schaller, F. Fischer: „Partizipation in der gesundheits- und pflegebezogenen Technikentwicklung: Implikationen für Begleitung und Reflexion”

Partizipation bedeutet die Beteiligung möglichst all jener Personen(gruppen) an Entscheidungsprozessen, die von eben diesen Entscheidungen betroffen sind. Somit schließt Partizipation die Möglichkeit ein, Einfluss auf Ergebnisse zu nehmen und diese idealerweise aktiv mitzugestalten. Immer mehr Technikentwicklungsprozesse, insbesondere in gesundheitlichen und pflegerischen Kontexten, nutzen partizipative Verfahren zur Einbindung von (zukünftigen) Nutzer:innengruppen. Dies liegt auch daran, dass Methoden und Formate der Partizipation vermehrt in Förderbekanntmachungen explizit gefordert werden. Zugleich hat die Bedeutung von Begleitprojekten im Bereich der Technikentwicklung zugenommen. Begleitforschung hat in diesem Kontext zweierlei Funktionen: Innerhalb eines iterativen Prozesses werden sowohl Serviceleistungen für die Anwendungsprojekte angeboten als auch Forschungsaktivitäten durchgeführt. In diesem Vortrag soll daher ein Dialog zwischen zwei laufenden Begleitprojekten erfolgen, welche im Rahmen der folgenden Bekanntmachungen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert werden: „Hybride Interaktionssysteme zur Aufrechterhaltung der Gesundheit auch in Ausnahmesituationen“ und „Technologiegestützte Innovationen für Sorgegemeinschaften zur Verbesserung von Lebensqualität und Gesundheit informell Pflegender“.
Trotz verschiedener Ziel- und Nutzer:innengruppen verbindet diese beiden Begleitprojekte eine gemeinsame zentrale Zielsetzung: Partizipative Technikentwicklung zu gesundheits- und pflegebezogenen Themen zu begleiten, zu unterstützen und zu analysieren. Es soll eruiert und kritisch diskutiert werden, mit welchen Formaten und Methoden ein solches Begleitprojekt die Förderung partizipativer Prozesse in den von ihm begleiteten Anwendungsprojekten unterstützen kann. Dies erfolgt mit Blick auf ohnehin schon heterogene – da inter- und/oder transdisziplinär ausgerichtete – Mitglieder der Projektkonsortien innerhalb der Anwendungsprojekte mit diversen Verständnissen von Partizipation und unterschiedlichen praktischen Vorerfahrungen. Auch die teilweise unterschiedlichen bis hin zu konfligierenden Zielvorstellungen in Bezug auf die zu entwickelnde Technologie sollen hierbei im Blick behalten werden. Zugleich soll in dem Vortrag aufgezeigt werden, inwieweit eine kritische Reflexion über die Voraussetzungen von und Erfahrungen mit partizipativ ausgerichteten Technikentwicklungsprojekten über entsprechende Begleitprojekte ermöglicht werden kann – und welche Schlüsse sich daraus für die aktuelle und konkrete Arbeit innerhalb der geförderten Technikentwicklungsprojekte sowie darüber hinaus nachhaltig für zukünftige Förderausschreibungen und Forschungsprojekte und auch die Demokratisierung von Entscheidungsprozessen ergeben können.
Die in einem kritischen Dialog zweier Begleitprojekte aufzuzeigenden Lessons learned sollen dazu beitragen, auf der einen Seite die Erfordernisse für ‚gelingende‘ Partizipation in Technikentwicklungsprojekten in den Bereichen Pflege und Gesundheit zu benennen und auf der anderen Seite demokratische und nachhaltige Reflexionsräume für und über partizipative Technikentwicklungsprojekte auszuloten und damit Voraussetzungen zu schaffen, die wissenschaftliche sowie öffentliche Wahrnehmung für partizipative Forschungsmodi zu erhöhen.

B. Behrisch: „FamGesund: Partizipative Forschung zwischen Schulung in wissenschaftlichem Arbeiten und gemeinsamen Lernen”

Partizipative Forschungsprojekte streben eine ko-konstruktive Wissensgenerierung und Entscheidungsfindung verschiedener Erfahrungszusammenhänge von Wissenschaft, Praxis und Selbstexpertise an (Behrisch/Wright 2018). Damit alle Beteiligten in der Lage sind, für Entscheidungen Verantwortung übernehmen zu können, bedeutet dies meist fürExpert:innen aus eigener Erfahrung, sich erst einmal thematisch, strukturell und methodisch auf wissenschaftliche Forschungsprozesse einzulassen. Lessons-Learned Berichte partizipativer Projekte empfehlen für die erste Projektphase, Kapazitäten für Schulungsmaßnahmen und genügend Zeit für Gruppenbildungsprozesse einzuplanen (Nieke / Eicher 2022; Heyen et al. 2021, von Unger 2018). Das gewünschte Ziel ist ein gemeinsamer Wissensaufbau und die Organisation der gemeinsamen Kommunikation in einem „sicheren Raum“ (Bergold / Thomas 2012; Schaefer et al. 2020). Partizipative Forschungsprozesse bedeuten grundsätzlich kollektives Forschen und beinhalten darüber individuelle wie kollektive Lernprozessen sowie „wechselseitige Bildungsprozesse“ (Eßer 2021) aller Beteiligten.
Was sich in der idealen Beschreibung recht flüssig verfassen lässt, verlangt in der praktischen Umsetzung – insbesondere von wissenschaftlicher Seite – eine Sensibilität auf der Folie gruppendynamischer Aushandlungen im Kontext zwischen gemeinsamen Arbeiten „auf Augenhöhe“ und Beachtung übergeordneter Belange von Projektrahmungen, Forschungs- und Gütekriterien. Bildungsprozesse finden damit – so die These – auf vielfältigen Ebenen als unterschiedliche (sichtbare und unsichtbare) Herausforderung und Zumutung für die verschiedenen Beteiligten statt.
Diese Thematik wird auf der Basis des Lern- und Arbeitsverständnisses des partizipativen Bürgerforschungsprojektes FamGesund, „Familiale Gesundheitskompetenz als Bildungsherausforderung“ ausgeführt und diskutiert. FamGesund untersucht, welche Lern-, Bildungs- und Kommunikationsprozesse in Familien unter den Bedingungen schwerer chronischer Erkrankung stattfinden. Im Fokus stehen Familien mit Kindern bis 21 Jahren, in denen ein Elternteil mit einer schwerwiegenden körperlichen chronischen Erkrankung lebt. In der FamGesund Familienforschungsgruppe arbeiten fünf Mütter mit unterschiedlichen schwerwiegenden körperlich chronischen Erkrankungen mit zwei Wissenschaftlerinnen und einer Praktikerin zusammen. Gemeinsam wurde eine Forschungsfrage formuliert, ein Forschungsdesign entwickelt, im Tandem Wissenschaftlerin – Co-Forschende werden Daten in Form von Familieninterviews erhoben und im Rahmen der Grounded Theory Methodologie ausgewertet.
Vorbereitende Prozesse zum wissenschaftlichen Arbeiten finden eingebettet in gemeinsame thematische Erarbeitungen statt, in welchen wissenschaftliches und eigengeschichtliches Wissen der Co-Forschenden jeweils gleichberechtigt seinen Raum erhält. Lernprozesse, Aushandlungen und Zumutungen werden von allen Beteiligten in der Familienforschungsgruppe beschrieben und berühren das wissenschaftliche Arbeiten, Wissensbestände familialer Bearbeitung von körperlich schwerwiegender chronischer Erkrankung und auch die jeweiligen Berufsbiografien und persönlichen Erfahrungen. Basis der Diskussion bilden Daten aus verschiedenen Reflexionsformaten der Familienforschungsgruppe von FamGesund selbst in der eine autoethnographische Reflexion der Beteiligten über Dokumentationen, Transkripte der Forschungswerkstätten, Logbücher und regelmäßige Auswertungsgespräche erfolgt.

L. Heller, I. Blümel, G. Fahrenkrog: „Gemeinam gestalten und lernen? – Hackathons und andere partizipative Formate unter der Lupe”

Aus der Sicht der konstruktivistischen Lerntheorie eignen sich Menschen Wissen an, indem sie (soweit äußere Bedingungen dies zulassen oder begünstigen) dabei selbst aktiv und wirksam werden, idealerweise anhand selbst gewählter Materialien und selbst gesetzter Ziele. Ferner geschehe Lernen dialogisch, in der Auseinandersetzung insbesondere auch mit anderen Lernenden. Interessanterweise soll das sowohl für Kinder als auch z.B. für Nachwuchs-Forschende in der Wissenschaft gelten.
Aus der Sicht der Wissenschaft sollen Forschungsdaten und -informationen heute FAIR (findable, accessible, interoperable, reusable) sein, und auch in vielen weiteren Bereichen wie etwa dem materiellen und immateriellen kulturellen Erbe gelten Prinzipien analog zu FAIR längst als Maximen der digitalen Öffnung. Diese digitale Allmende kann – wenn sie reflektiert wird und sich jemand dauerhaft um sie kümmert – Ausgangspunkt einer neuartigen Aneignung sein:
Gemeinschaftliches Lernen und Gestalten, die ungeplante Auseinandersetzung mit Materialien, mit oft überraschenden Ergebnissen, findet heute oft in Formaten wie Hackathons statt. Hackathons sind quasi durch Zeitbegrenzung und Regeln definierte Spielräume. Man könnte auch sagen: Sie sind eine Anwendung eines modernen Lernverständnisses, siehe oben. In diesen Spielräumen werden nicht zuletzt Sinn und Potenzial der digitalen Öffnung greifbar, die für Wissenschaft und Kultur heute so prägend ist – greifbar sowohl für die einzelnen teilnehmenden Lernenden als auch für die Profis der Forschung und der Bewahrung des kulturellen Erbes.
Ebenso wie die vielfältigen Datenquellen und digitalen Sammlungen gilt es auch die Formate gemeinschaftlichen Gestalten, Spielens, Forschens und Lernens auszuprobieren, zu analysieren und weiterzuentwickeln. So können Hackathons zwar leicht als elitäre Leistungsschau technischen Könnens im Dienste kurzlebiger Startups missverstanden werden, doch als Veranstalter*innen öffentlicher Hackathons wie “Coding da Vinci” und “Creating New Dimensions” haben wir gelernt, dass sie anders sein können. Das gleiche gilt zum Beispiel auch für Barcamps, die trotz ihres Rufes als unverbindliche bis eitle Plauderrunden viel mehr sein können. In Gestalt der OERcamps sind sie zum zentralen Organ einer Bewegung geworden, die sich längst in die Förderpolitik von UNESCO bis hin zum Bundesbildungsministerium in Deutschland eingeschrieben hat.
In unserem Vortrag wollen wir, aus unserer langjährigen intensiven Erfahrung als Organisator*innen diverser partizipativer Veranstaltungsformate wie Barcamps, Hackathons und Book Sprints, erläutern, wie diese insbesondere in Hinsicht auf die digitale Öffnung von Wissenschaft und Kultur funktionieren. Wir zeigen, wie diese Formate im Orchester miteinander zusammenspielen, und insbesondere wie sie eingesetzt werden können, um verschiedenen Zielgruppen Partizipation an der Wissenschaft zu erlauben und aus verschiedenen Perspektiven die Wissenschaft und ihren digitalen Wandel greifbar zu machen.

Stadtlabor

Workshop: S. Hammann, J. Wendler, M. Stewart, V. Shennan: „Public Engagement stärken: Institutionelle Grundsätze für die partizipative Forschung”

Der Workshop „Public Engagement stärken: Institutionelle Grundsätze für die partizipative Forschung“ zielt darauf ab, Personen aus dem Bereich der Partizipation zusammenzubringen, um die Anforderungen an die Verankerung von Public Engagement in der deutschen Forschungslandschaft zu diskutieren. Indem wir die bestehenden Public Engagement-Grundsätze und ihren Impact untersuchen, werden wir gemeinsam die Vorteile der Einbeziehung von partizipativer Forschung als einen entscheidenden Aspekt institutioneller und wissenschaftlicher Exzellenz diskutieren.
Der Workshop dient damit als Ausgangspunkt für gemeinsame Bemühungen um ein institutionell verankertes Public Engagement. Im Anschluss an den Workshop wird eine Arbeitsgruppe gegründet, die ko-produktiv einen institutionellen Public Engagement Kodex erarbeiten wird. Dazu werden Public Engagement Fachleute und politische Vertreter*innen konsultiert, um ihre Anforderungen und Interessen zu verstehen und einzuarbeiten. Die Teilnehmenden des Workshops werden herzlich eingeladen, sich auch weiterhin am Prozess zu beteiligen.

Workshop-Übersicht:
Der Workshop bietet eine Plattform für eine eingehende Untersuchung und einen bedeutsamen Dialog sowohl über die Bedeutung der Einbeziehung von Public Engagement-Grundsätzen in die deutsche Forschungskultur als auch über institutionelle Grundsätze, die dies unterstützen. Die Diskussionsgrundlage wird der „Public Engagement Kodex“ darstellen, welcher für Public Engagement Praktizierende gilt und von der deutschen Public Engagement-Gemeinschaft mitentwickelt wurde. Als ein lebendiges Dokument wird der „Kodex“ jährlich ko-produktiv überarbeitet, sodass die neuste Version bis November 2023 vorliegen wird.

Hauptziele des Workshops:

  1. Untersuchung der bestehenden (institutionellen) Grundsätze von Public Engagement und ihre Anwendbarkeit auf die deutsche Förderlandschaft, um Potenziale, aber auch Lücken und Verbesserungsmöglichkeiten zu identifizieren.
  2. Ermöglichung einer interaktiven Sitzung zum Austausch von Best Practices, Fallstudien und Erfolgsgeschichten. Daraus werden lebhafte Diskussionen entstehen, die sowohl die Herausforderungen als auch die positiven Aspekte der Einbeziehung partizipativer Forschung in verschiedene Disziplinen und Projekte durch institutionelle Vorgaben hervorheben. Hierbei werden auch Finanzierungsmöglichkeiten aufgezeigt.
  3. Förderung der Vernetzung und Zusammenarbeit zwischen den Teilnehmenden, was den interdisziplinären Dialog und die Bildung neuer Partnerschaften stärkt.
  4. Beginn der Entwicklung einer Reihe von Empfehlungen und Leitlinien zur Unterstützung der Integration der partizipativen Forschung als Exzellenzkriterium in zukünftigen Unterstützungs- und Finanzierungsinitiativen. Diese sollen institutionellen Führungskräften und Geldgebern vorgelegt werden.

Am Ende des Workshops erwarten wir die folgenden Ergebnisse:

  1. Stärkeres Bewusstsein der Teilnehmenden für die grundlegenden Werte, die wir in allen Bereichen der partizipativen Forschung teilen, sowie deren positiver Impact auf die Forschungsergebnisse und das gesellschaftliche Engagement.
  2. Verbessertes Verständnis der bestehenden Grundsätze und Werte des Public Engagement und seine Relevanz für Finanzierungsinitiativen.
  3. Der Beginn einer Sammlung von Best Practices, Fallstudien und Empfehlungen, die in einem umfassenden Bericht zusammengestellt und mit Geldgebern, politischen Entscheidungsträger*innen und relevanten Interessengruppen geteilt werden sollen.
  4. Gestärkte Kooperationen und Partnerschaften zwischen den Teilnehmenden, die zu zukünftigen interdisziplinären Forschungsprojekten und Wissensaustausch führen, z.B. die kontinuierliche Zusammenarbeit am institutionellen PE Kodex, der 2024 veröffentlicht werden soll.
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