Poster – Konzepte, Formate und Methoden

R. Paluch; C. Müller: Zeitliche Spannungsfelder in der Forschung und Entwicklung von Robotik für die Pflege

Zeitliche Abstimmungen, Spannungen und Konflikte sind relevante Bestandteile interdisziplinärer IT-Forschung und -Entwicklung, so auch beim Partizipativen Design. Partizipatives Design bietet die Chance, Forschungsprozesse durch die Einbeziehung unterschiedlicher Perspektiven zu demokratisieren. Diese Idee der „Augenhöhe“ wird jedoch nicht nur durch verschiedene Machtungleichgewichte gestört, sondern auch durch zeitliche Begrenzungen, die in den unterschiedlichen Kontexten der Beteiligten auftreten. So handeln beispielsweise Pflegekräfte und Robotikentwickler:innen nach verschiedenen Zeitlogiken, was zu einer unterschiedlichen Priorisierung von Problemen führt. Wir beziehen diese Aspekte auf die Theorie von Maria Puig de la Bellacasa, die eine analytische Unterscheidung bezüglich der Zeitlichkeit von Sorge bietet. Für eine erfolgreiche partizipative Forschung sowie Entwicklung von Robotern, die nachhaltig in die Pflegepraxis integriert werden können, sind Momente des kollaborativen Austauschs erforderlich. Wir schlagen zeitsensitive PraxLabs vor, in denen die Zeitlichkeit von Prozessen reflektiert wird und die Möglichkeiten bieten, angemessene Formen von Sorge zuzulassen. In unserem Posterbeitrag bezeichnen wir das Problem der unterschiedlichen Zeithorizonte als Leerstelle. Um dieses Problem anzugehen, werden wir Ideen vorstellen, wie über die verschiedenen Erwartungen von Pflegekräften und Robotikentwickler:innen nachgedacht werden kann und was dies für die Gestaltung von Robotersystemen bedeutet. Diese Kriterien können als Input für die Vorbereitung des aktuellen Einsatzes und als Leitfaden für die zukünftige Entwicklung von Robotern im Pflegesektor dienen. Wir werden empirisches Material aus zwei interdisziplinären Workshops mit Expert:innen aus Deutschland, Japan und Österreich nutzen, um den Ertrag von zeitsensitiven PraxLabs zu verdeutlichen.

P. Gleim, S. Mandelartz, P. Kellmeyer: Partizipativer Mixed-Methods-Ansatz für Ethics-by-Design in Medizin und Gesundheitswesen

Partizipative Ansätze werden innerhalb von Forschungs- und Entwicklungsprojekten im Bereich der Technikentwicklung als entscheidend für die Akzeptanz und das Vertrauen in die Technologien angesehen. Im Kontext der Gestaltung KI-basierter Systeme werden daneben zunehmend Value-sensitive und Ethics-by-Design Ansätze diskutiert. Allerdings besteht die Herausforderung, dass es seitens der zu beteiligenden ein grundlegendes Verständnis für die Möglichkeiten und Grenzen datengetriebener Ansätze bedarf, um am Gestaltungsprozess zu partizipieren. In frühen Projektphasen stehen zudem keine Prototypen für Demonstrationszwecke zur Verfügung. Diesen Herausforderungen begegnen wir in verschiedenen Forschungsprojekten (bspw. den BMBF-geförderten Projekten KIPA und KIDELIR) mit einem transdisziplinären Mixed-Methods-Ansatz, der auf der Kombination qualitativer Methoden aus Sozialforschung (Gruppendiskussion, Interviews), Psychologie (Cognitive-affective mapping (CAM)) und Designforschung (Techno-Mimesis) beruht. In partizipativen Workshops mit zukünftigen Nutzenden werden durch die co-kreative Gestaltung von Design-Fiktionen der Technologien und deren Anwendung auf verschiedene Szenarien, ethische Spannungen in der Interaktion zwischen Mensch und KI antizipatorisch identifiziert und in den Entwicklungsprozess integriert. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Exploration struktureller Aspekte und Bedingungen der Mensch-Technik-Interaktion, um kontextspezifische Vulnerabilitäten der Nutzenden und Betroffenen und der damit einhergehenden Fragen der Verantwortung zu verstehen. Im bidirektionalen Austausch zwischen Forschenden und zukünftigen Nutzenden über die Erfahrungen in der Interaktion mit der Design-Fiktion entsteht ein gemeinsamer Meinungsbildungsprozess über Wertvorstellungen und Gestaltungsoptionen. Übergeordnetes Ziel ist es, neue Modelle hochgradig partizipativer Forschung und Technikentwicklung zu entwickeln, welche es bestimmten Communities (z.B. Betroffene, Patient:innen) erlaubt, Technik in der Medizin in selbstbestimmter und teilhabeorientierter Weise gemeinsam zu gestalten.

T. Rambach, A. Bejan: Herausforderungen im Partizipationsprozess: Erfahrungen aus laufenden Projekten zur Entwicklung klinischer KI-Entscheidungsunterstützungssysteme

Die partizipative Einbindung der Zielgruppe in F&E-Projekte – insb. auch bzgl. klinischer KI-Entscheidungsunterstützungssysteme – gewinnt zunehmend an Bedeutung. Die dabei auftretenden kontext- und technologiespezifischen Herausforderungen für den Partizipationsprozess werden anhand von Erfahrungen aus zwei laufenden Projekten dargestellt.
Einerseits kennen klinische Fachkräfte die Potenziale von KI im Vergleich zu “klassischen” Technologien (noch) kaum und zögern daher bei der Erwägung der Nutzung von KI in den eigenen Arbeitsabläufen. Dabei sind Ihnen besonders Details über die genaue Funktionsweise und über die Verantwortlichkeiten bei Fehlentscheidungen wichtig.
Andererseits fehlt es den Entwickelnden häufig an Verständnis von internen Krankenhausprozessen und der “sozialen Wirklichkeit” innerhalb eines Krankenhauses. Ohne die kommunikative Überbrückung der fehlenden Kenntnisse bzw. ohne Perspektivenübernahme wird das gegenseitige Verständnis und damit die zielführende Erarbeitung partizipativer Artefakte erschwert – in diesem Sinne ist die Einbeziehung aller beteiligten Fach- und Führungskräfte von großer Bedeutung.
Außerdem arbeiten in klinischen KI-Entwicklungsprojekten interprofessionelle Gruppen zusammen, was im weiteren Verlauf u.a. zu Machtungleichgewichten führen kann. Die zentrale Herausforderung besteht darin, eine ausgewogene Zusammenarbeit zu gewährleisten und die Bedürfnisse aller zu berücksichtigen – einschließlich guter interner Abstimmung der Krankenhausabteilungen, um gemeinsame Workshops und Meetings zu ermöglichen.
Neben kontextuellen Schwierigkeiten sowie ethischen Implikationen sind zudem die Transparenz der (Entscheidungs-)Mechanismen des KI-Systems sowie die Qualität der (Trainings-)Datengrundlage “Pain Points” im Partizipationsprozess. Im Vergleich zu anderen Technologien, bei denen auf “greifbare” (Gestaltungs-)Prototypen zurückgegriffen werden kann, erfordert die Entwicklung von KI-Systemen aufwändigere Simulationen und Demonstratoren, die möglicherweise einem Bias unterliegen.
Partizipative Methoden in KI-Entwicklungsprojekten müssen somit prozessuale sowie technische Aspekte und Mehrwerte herausarbeiten und transparent machen.

A. Zeden: Team Vielfalt – Die formative Evaluation eines Beteiligungsformates bestehend aus Menschen mit Behinderungen zur Beurteilung und Weiterentwicklung ihrer Teilhabemöglichkeiten

Am Diakonischen Werk Mecklenburg-Vorpommern e. V. wurde eine partizipative Struktur in Form eines Gremiums bestehend aus Menschen mit Behinderungen etabliert. Die Mitglieder gaben sich selbst den Namen „Team Vielfalt“. Die Experten und Expertinnen aus Erfahrung treffen sich drei- bis viermal im Jahr, um existierende Teilhabebarrieren in Mecklenburg-Vorpommern zu identifizieren und gemeinsam Maßnahmen zur Verwirklichung der Teilhabe und Inklusion von Menschen mit Behinderungen zu diskutieren. Die Treffen finden in hybrider Form statt. Die Ergebnisse werden in Einfacher und Schwerer Sprache protokolliert.
Hier soll nun eine erste formative Evaluation der Implementierung des Beteiligungsformates vorgenommen werden. Bei der Prozessevaluation wird erfasst, welche Ressourcen (personell, zeitlich, finanziell) notwendig waren und welche Maßnahmen umgesetzt wurden, um das Team Vielfalt zu gründen. Zudem wird untersucht, welche Herausforderungen sich bei der Implementierung dieser partizipativen Struktur ergaben.
Die Ergebnisse der formativen Evaluation dienen der Weiterentwicklung des Beteiligungsformates. Für ähnliche Vorhaben bieten die Ergebnisse Anhaltspunkte, welche Ressourcen zur Realisierung einer solchen partizipativen Struktur eingeplant werden müssen.

E. Werner, O. Levina: Herausforderungen und Möglichkeiten des transdisziplinären Vorgehens am Beispiel von Citizen Social Science im ländlichen Raum

Ansätze der Bürger*innenwissenschaft fokussieren darauf, verschiedene Wissensformen und lokale Bedürfnisse in der Problemlösung zu berücksichtigen, um soziale Innovationen und experimentell umzusetzen. Damit bieten sie eine gute Grundlage für eine transdisziplinäre Zusammenarbeit im ländlichen Raum. Die Voraussetzungen und mögliche Herausforderungen gilt es zunächst kontextbezogen zu identifizieren und zu systematisieren. Im Anschluss können partizipative Methoden problembasiert und gemeinsam in den Citizen Social Science Projekten angewendet werden.

Herausforderungen bestehen sowohl in Bezug auf inklusive Beteiligungsstrukturen als auch in Prozessen lokaler Wissensintegration und der Etablierung diskursiver Lernräume. Um die Zivilgesellschaft im ländlichen Raum zu aktivieren und situatives Methoden- und Kontextwissen in ko-kreativen Forschungsprozessen ableiten zu können, sollen Methoden der designbasierten Partizipation und der Citizen Social Science angewendet werden. Neben dem Wissensaustausch und Synergien bei der Wissenserhebung, kann so themenübergreifende Expertise aufgebaut und der gemeinsame Lernprozess reflektiert werden. Die Auswertung der ermittelten Daten kann theoriebezogen oder mit dem Fokus auf praxisbezogene Strategieentwicklung erfolgen. Die Analyse und Integration der gewonnenen Erkenntnisse sowie ihre Evaluation kann wissenschaftsübergreifend und unter Einbezug der Praxis stattfinden. Diesen Prozess der partizipativen Forschung gilt es im Rahmen des Startprojektes „BürgerInnen erforschen SDGs“ des Projekts „InNoWest – Innovationen in Nordwest Brandenburg“ lebensweltorientiert zu erarbeiten, mit Methoden zu stützen und zu evaluieren. Erste Ansätze der transdisziplinären Forschung mit Methoden der Citizen Social Science und des partizipativen Designs werden in diesem Beitrag beschrieben.

J. Mewes, G. Heinrich. L. Jördens, F. Mühlenbein, S. Voigt-Heucke: Projektvorstellung “Auf die Plätze! Citizen Science in deiner Stadt”

Citizen Science als zukunftsweisenden Ansatz vor Ort erlebbar machen und nachhaltig verankern – das ist das Ziel des Wettbewerbs „Auf die Plätze! Citizen Science in deiner Stadt“. Zur Teilnahme eingeladen waren lokale Akteurinnen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft, aus kommunaler Verwaltung, die gemeinsam mit Bürgerinnen Themen vor der eigenen Haustür erforschen wollen. Basierend auf der Entscheidung einer Jury aus Expert*innen werden in jeder Runde drei Projekte zur Umsetzung ihrer Ideen mit 50.000 € ausgezeichnet. Der Wettbewerb „Auf die Plätze! Citizen Science in deiner Stadt“ wird von Wissenschaft im Dialog und dem Museum für Naturkunde Berlin in enger Zusammenarbeit mit der Citizen-Science-Plattform Bürger schaffen Wissen umgesetzt.

Der Wettbewerb richtet sich an Akteurinnen aus der Zivilgesellschaft, der kommunalen Verwaltung und Wissenschaft. Im Rahmen des Wettbewerbs wurde jeweils eine Runde in 2022 und 2023 durchgeführt, sodass insgesamt fünfzehn Finalistinnen und sechs Preisträger*innen bis Ende 2024 ausgezeichnet und die Aktionen umgesetzt werden sollen.

Das Museum für Naturkunde Berlin ist für die wissenschaftliche Beratung der Wettbewerbsteilnehmer*innen und für die Beforschung des Wettbewerb verantwortlich, die auf dem Poster neben der allgemeinen Projektbeschreibung kurz skizziert werden sollen.

Während des Projektzeitraums findet eine wissenschaftliche Begleitforschung mit zwei Teilprojekten statt, die sich mit den Forschungsthemen „Lokale Citizen Science-Netzwerke mit zivilgesellschaftlicher Beteiligung“ (Gesine Heinrich) sowie mit „Citizen Science wissen. Konzepte von Citizen Science, Modi des Wissenserwerbs & -transfers in Citizen Science-Projekten“ (Dr. Julie Sascia Mewes) beschäftigt.

M. Paulus, R. Ghebrizghi: Partizipative Wissenschaft – wer schafft Wissen für wen? Einblick in die Herausforderungen eines partizipativen Projekts zu Frauengesundheit und FGM-C in München

CoPF – communitybasierte Prävention zu Frauen- und Mädchengesundheit ist ein 4-jähriges Projekt das 2021 vom Gesundheitsreferat der Stadt München initiiert wurde, um Mädchen- und Frauengesundheit in Münchner Communities zu stärken und einen Beitrag zur Prävention von FGM-C zu leisten. Im Rahmen des Projekts forscht ein 4-köpfiges Team der Wüstenrose Fachstelle Zwangsheirat/FGM-C der IMMA e.V. gemeinsam mit neun Peer-Researcherinnen aus der sudanesischen und eritreischen Münchner Community partizipativ zu den Themen FGM-C und Frauengesundheit. Im Anschluss werden auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse Angebote für die Communities entwickelt und implementiert. Neben der Stärkung von Frauen- und Mädchengesundheit, möchte das Projekt das Engagement der Communities fördern und sichtbar machen, sowie zu einer gegenseitigen Vernetzung beitragen.
Dabei soll in jeder Projektphase ein möglichst hohes Maß an Partizipation der Peer-Researcherinnen ermöglicht werden, angefangen von der Entwicklung der konkreten Forschungsfragen bis zur Auswertung und Präsentation der Ergebnisse. Im gemeinsamen Prozess werden dabei unterschiedliche Positionen und unterschiedliche Zugänge zu Wissen deutlich. So stellt sich immer wieder die Frage, welches Wissen wissenschaftlich anerkannt wird, wer Wissen „produziert“, für wen Wissen produziert wird, wer davon profitiert und welche Rolle sozialwissenschaftliche Gütekriterien, welche begrifflich eher aus einem isolierten akademischen Wissenschaftskontext stammen, im partizipativen Forschen einnehmen können.
Dies beinhaltet beispielsweise auch selbst gewonnene Erkenntnisse aus den Communities anzuerkennen und nicht als pures Ergebnis des wissenschaftlichen Projekts darzustellen, sondern den Reflexionsprozess weiter zu unterstützen und für den wissenschaftlichen Diskurs zugänglich und sichtbar zu machen. Im gesamten Prozess gilt es, sowohl die Interessen der Peer-Researcherinnen/Communities, die Qualitätskriterien von Sozialforschung, sowie die allgemeinen Ziele des Projekts im Blick zu behalten und immer wieder neu auszuhandeln.

K. S. Kiprijanov, H. Schloddarick: Zukunft geht durch den Magen: Public Engagement für planetare Gesundheit

Partizipative Prozesse in Forschung, Innovation und Politik spielen eine essenzielle Rolle bei der Analyse, Verhandlung und Bewältigung der komplexen gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit. Dazu zählen auch die Wechselwirkungen zwischen der Gesundheit der menschlichen Zivilisation und dem Zustand der natürlichen Systeme, von denen sie abhängig ist. Diese Beziehungen werden von dem integrierten Gesundheitskonzept der Planetary Health (Planetare Gesundheit) in den Blick genommen und aus einer ganzheitlichen Perspektive adressiert. Ein bedeutender Aspekt in diesem Feld ist die gesunde und nachhaltige Ernährung, da Ernährungssysteme einen erheblichen Einfluss auf die menschliche Gesundheit haben und gleichzeitig zu globalen Umweltveränderungen beitragen. Die Gestaltung dieser Systeme wird durch ein Geflecht aus unterschiedlichen Akteur*innen sowie kulturellen, sozialen, politischen, ökonomischen, technologischen und demografischen Rahmenbedingungen beeinflusst.

Das Poster vermittelt eine fundierte Einsicht in das innovative, anwendungsorientierte Projekt „Public Engagement für planetare Gesundheit“. Das Vorhaben untersucht, wie sozioökologische Transformationen mithilfe von Public Engagement-Ansätzen zunächst fallstudienartig im Bereich Ernährung für Planetare Gesundheit angestoßen und bestärkt können. Dabei folgt es der Prämisse, dass die Akzeptanz von bzw. der Wille zu notwendigen Anpassungen bestehender Ernährungsgewohnheiten und -systeme nur im Zusammenspiel zwischen diversen Akteursgruppen im Sinne kollaborativer Wissensproduktion gelingen kann. Die gewonnenen Erkenntnisse und Ergebnisse sollen langfristig auf andere Bereiche sozioökologischen Handelns übertragen und Lösungsansätze skaliert werden.

Neben dem Konzept der Planetaren Gesundheit sollen Forschungsdesign, experimentelle Methoden der partizipativen Forschung, ethische und kulturelle Überlegungen sowie die adressierten Stakeholder*innen zur Sprache kommen. Darüber hinaus werden auch die Möglichkeitsräume und Grenzen von Public Engagement für die Gestaltung von sozioökologischen Transformationen im beschriebenen Themenfeld kritisch reflektiert.

A. Korn, M. Hertwig, M. Lenzner; J. Westerheide: Reallaboratorien „New Normal“ – Transformation digitaler Zusammenarbeit und Führung in der öffentlichen Verwaltung

Der Einsatz digitaler Technologien geht mit zahlreichen Folgen für Arbeit, Zusammenarbeit und Arbeitsbeziehungen einher. Das Projekt “New Normal” beschäftigt sich mit eben jenen Auswirkungen als Produkt von Aushandlungsprozessen im Zuge der Umsetzung der internen Digitalisierungsstrategie des Ministeriums für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie (MWIKE).

Im Rahmen des Projektes wird den Fragen nachgegangen: Wie haben sich die Zusammenarbeit und die Kommunikation zwischen den Beschäftigten in Folge der Digitalisierung verändert? Wie verändern neue Arbeitsformen die subjektiven Sichtweisen verschiedener Beschäftigtengruppen des MWIKE auf die organisationale Kultur und die Zusammenarbeit?

Den methodischen Rahmen bildet ein Mixed-Methods-Design (Kuckartz 2014) bestehend aus (1) qualitativen Interviews, (2) quantitativer Beschäftigtenbefragung und (3) Reallabore (Boes et al. 2017). In letzteren entwickeln und erproben Beschäftigte in iterativen Schleifen nachhaltige Lösungen für Probleme der hybriden Zusammenarbeit (Schmidt et al. 2022). Mit den Reallaboren wird eine doppelte Zielstellung – Datenerhebung einerseits, partizipative Verbesserung der Zusammenarbeit andererseits – verfolgt (Di Giulio und Defila 2018).
Das Poster stellt die Frage, inwiefern die Praxis- und Forschungsziele in Konflikt stehen oder auch Synergien erzeugen können. Wie können Reallabore zur Datengewinnung genutzt werden? Welche Auswirkungen haben die Praxisziele auf die Rolle des Forschenden im Feld?

K. Treichel-Grass: Insights aus der Bürgerdeliberation im Energiewendeforschungsprojekt Ariadne

Klimaziele allein gewährleisten keinen Erfolg: es braucht wissenschaftlich begründete Maßnahmen, die auch von der Gesellschaft mitgetragen werden. Deshalb sind im Kopernikus-Projekt Ariadne seit Beginn Bürger:innen in einen Lernprozess mit der Wissenschaft zur Energie- und Verkehrswende beteiligt. In Dialogformaten wurden Politikoptionen von Forschenden und Bürger:innen diskutiert und gemeinsam weiterentwickelt. Durch das Zusammenbringen von Experten-, Alltags- und Praxiswissen entstand ein vertieftes Gesamtbild mit neuen Handlungsoptionen. „[Bürger:innen] fühlen sich damit ernstgenommen. Das fetzt und mach Laune auf Demokratie“ (Teilnehmer). Verschiedene interaktive und visuelle Formate wurden genutzt: Lernmodule & Tablet-Apps zu Forschungsergebnissen, Kurzfilm zum Prozess, Faltposter zu Kernergebnissen, Ausstellung auf Bürgergipfel. Es ist möglich, einen Teil der Ausstellung auf der Konferenz zu zeigen. Dazu gehören der Prozess und die Formate, die inhaltliche Weiterentwicklung der jeweiligen Themen durch die Iteration zwischen Wissenschaft und Bürger:innen sowie Erkenntnisse aus dem Lernprozess.

J. Popp, E. Grüne, J. Carl, V. Hartung, K. Pfeifer: Dissemination des Konzepts der Bewegungsbezogenen Gesundheitskompetenz in der bayerischen Pflegeausbildung: Das Projekt Take-Care!

ABSTRACT FEHLT

R. Schmidt: Partizipative Forschung mit Lehrkräften – Forschungsmethodologische Reflexionen aus einem Dissertationsprojekt zu diversitätssensiblen digitalen Lehr-Lernpraktiken im schulischen Unterricht

Aktuelle bildungswissenschaftliche Forschungsergebnisse werden wenig bis gar nicht in didaktische und organisationale Prozessplanungen implementiert (Dagenais et al. 2012; Demski 2018). Begründet wird die mangelnde Implementierung von Forschungsergebnissen zum einen durch die fehlenden Kompetenzen der Lehrkräfte, deren mangelndem Zugang zu Forschungsergebnissen, fehlenden Ressourcen für die Unterrichts(weiter)entwicklung sowie einer mangelnden Kultur des Übertrags (Booher et al. 2020; Cain 2017; Cain & Allan 2017; Datnow & Hubbard 2016; Demski 2018; Lysenko et al. 2014; Vanderlinde & van Braak 2010). Zum anderen sind die Einstellungen und das Vertrauen der Lehrkräfte in wissenschaftliche Forschung sowie emotionalen Komponenten (Umgang mit Nichtwissen, Verlust der Deutungshoheit) weitere Gründe für den Nichteinbezug von wissenschaftlichem Wissen in die Unterrichtspraxis (Cain 2017; Mohajerzad et al. 2022; Vanderlinde & van Braak 2010). Neben diesen vor allem defizitorientierten Begründungsmustern ist eine unzureichende Teilhabe der Lehrkräfte an der bildungswissenschaftlichen Forschung (Heinrich 2018) ein Transferhindernis.

In partizipative Forschungsansätze wird der Ort der wissenschaftlichen Evidenzproduktion verschoben. Anstatt den Transferprozess dem Forschungsprozess nachzulagern finden bei partizipativen Forschungsvorhaben im Sinne von ‚participatory action research‘ (Bradbury et al. 2019; Fine et al. 2021; Fine & Torre 2019; Kaluzeviciute et al. 2021) synchron Forschungs- und Entwicklungsprozesse statt. Es entsteht eine transdisziplinärer Forschungskontext, indem Lehrkräfte mit universitären Forscher:innen gemeinsam an einer konkreten Fragestellung arbeiten und die Ergebnisse der Forschung direkt in die Unterrichtsgestaltung einbeziehen. Partizipative Forschungsprojekte können zudem Impulse der Schulentwicklung aufgreifen und diese unter Beteiligung der schulischen Akteure vorantreiben.

Mein Beitrag geht in Anschluss an Vilsmaier und Lang (Vilsmaier 2021; Vilsmaier & Lang 2014) der Frage nach wie wissenschaftliche Erkenntnisse in transdisziplinären Forschungskontexten produziert und implementiert werden. Es werden Grundprinzipien der partizipativen Forschung mit Lehrkräften vorgestellt und theoriebasiert mögliche Schwierigkeiten diskutiert. Hierbei wird am Beispiel der eigenen Forschung zu ‚diversitätssensibler digitalen Lehr-Lernpraktiken im schulischen Unterricht‘ auf die unterschiedlichen Erfahrungshintergründe und Professionspositionierungen in transdisziplinären Kontexten eingegangen. Ich stelle sowohl meine Reflexion der eigenen Rolle und Position als universitätsbasierte Forscher:in als auch die forschungsmethodologische Einbettung (reflexive Grounded Theory (Breuer et al. 2019)) vor. Hierbei gehe ich auf die Positionierung der Lehrkräfte als Forscher:innen und Praktiker:innen, bzw. als aktive Gestalter:innen von Schulentwicklungsprozessen ein. Ich skizziere die forschungsethischen Überlegungen, die die Gestaltung partizipativer Forschungsprozesse im Bereich der Schul- und Unterrichtsforschung adressieren und nehme sowohl Forschungspraktiken als auch institutionelle Rahmenbedingungen in den Blick. Zentral sind hierbei die Anerkennung der Aushandlung von Deutungshoheit im Forschungsprozess, sowie die kritische Reflexion von Hierarchisierungsmechanismen des wissenschaftlichen Systems.

R. Bissling: Participation Capability: Befähigung zur Reflektion der Partizipationsfähigkeit zur Steuerung von Wirkungen

Befähigung zur Reflektion der Partizipationsfähigkeit zur Steuerung von Wirkungen Hintergrund Um Partizipation erfolgreich umzusetzen – also externe Akteure in den eigenen Forschungs- oder Entwicklungs- bzw. Innovationsprozess (FEI-Prozess) zu integrieren – bedarf es der vorherigen Reflektion und Klärung der eigenen kontextuellen Einbettung, der Motivationen, Intentionen, Ziele und vor allem der zahlreich benötigten Kompetenzen und Ressourcen. Die Praxis zeigt deutlich, dass mit steigendem Bewusstsein um diese Aspekte auch der Erfolg und somit die Wirkung von Partizipation zunimmt. Gleichzeitig besteht noch immer ein Mangel an hierzu generell anwendbaren, systematisierten Lösungsansätzen und Handlungshilfen. Exakt diese Lücke soll adressiert werden. Der Vortrag befasst sich kritisch mit der Frage, wie diese Reflektion und Klärung als Projektinitiator*in erfolgen kann, welche Dimensionen zu berücksichtigen sind und welcher Kompetenzen es hierzu bedarf. Durch Vorstellung des entwickelten participation capability-Frameworks wird eine Lösung vorgestellt, welche Anwenderinnen und Anwendern zur Maximierung der Steuerungsfähigkeit partizipativer Gelingensbedingungen befähigen soll. Zur Relevanz des Frameworks Aus langjährigen BMBF- und EU-geförderten Projekterfahrungen heraus zu verschiedenen partizipativen Konstellationen und unter Miteinbeziehung unterschiedlicher Akteursgruppen und deren Perspektiven bündelt das Transformation Innovation Center des Fraunhofer IRB praxiserprobte Erkenntnisse und Ableitungen zu Partizipation und entwickelt hieraus aktuell das Framework der participation capability. Es fließen in die Framework-Entwicklung zudem auch Erfahrungen und Erkenntnisse aus weiteren Projekten und Aktivitäten sehr unterschiedlicher Disziplinen ein (u.a. Open Science, Open Innovation, Wissenschafts-Kreativwirtschafts-Kooperationen, kommunale Bürgerbeteiligung, etc.), in denen partizipative Gestaltungsanforderungen und Rahmen- und Gelingensbedingungen heterogener, inter- und transdisziplinärer Akteurskonstellationen wissenschaftlich begleitet werden. Übergeordnetes Ziel der Framework-Entwicklung ist es, eine systematisch extrahierte und aufbereite, generell anwendbare Reflexions- und Umsetzungshilfe für Partizipationsvorhaben bereitzustellen. Das Framework soll Anwenderinnen und Anwender motivieren, die Auseinandersetzung mit den eigenen Partizipations-Fähigkeiten zu suchen, um Potenziale und Barrieren zu identifizieren und eigenständig Lösungen zu entwickeln oder einzuholen. Der Anspruch ist es, Akteure damit unabhängig von Projekt-Disziplin und -Zielsetzung zu befähigen, die Wirkung von Partizipation zu steuern und zu maximieren. Zielgruppe sind Akteure aller Erfahrungsgruppen, die Partizipation praktisch initiieren und durchführen. Das Framework führt durch drei wesentlichen Dimensionen: 1.Verständnisgenese: Reflexion der kontextuellen Einbettung und des Charakters des eigenen FEI-Prozesses 2.Identifikation: Lokalisierung und Identifikation sinnvoller Partizipationsmöglichkeiten innerhalb des eigenen FEI-Prozesses 3.Umsetzung: Analyse des individuellen und fallspezifischen Kompetenz- und Ressourcenbedarfs Ziel des Vortrages Der Vortrag soll den Konferenzteilnehmenden, der wissenschaftlichen und praktischen Community und allen Interessierten durch die Framework-Präsentation einen Lösungsvorschlag anbieten, der zur Genese und/oder Steigerung der eigenen Fähigkeit hinsichtlich Reflexions-, Umsetzungs- und Steuerungsvermögen partizipativer Vorhaben führt. Gleichzeitig soll mit dem Vortrag eine Diskussionsgrundlage geschaffen werden, um Feedback, Input und Kritik zu integrieren und Interessierte zu motivieren, auch über die Konferenz hinaus durch Teilnahme an verschiedenen Formaten an die Weiterentwicklung des Frameworks mitzuwirken.

J. Bischofberger, E.-M. McCormack: Ungleichheit, Transformation und Hoffnung: Auf dem Weg zu einem neuen Diskurs über Partizipation von marginalisierten Gruppen

“The 2030 Agenda provides a normative compass that urges all countries and stakeholders – including civil society, business, and governments – to realize societal transformations in a short period of time.”

Diese öffentliche Debatte ist wieder sehr präsent. Aber marginalisierte Gruppen werden darin kaum gehört. Eine sozial gerechtere Forschung und eine inklusivere und partizipative Kommunikation sind notwendig, denn ohne das Wissen und die Perspektiven marginalisierter Gruppen wird eine sozial-ökologische Transformation nicht gelingen. Partizipative Forschung rückt damit das Konzept der Teilhabe ins Zentrum.

Obwohl Partizipation in der transdisziplinären Transformationsforschung immer weiter etabliert wurde, haben sich die Diskurse und die Kommunikation auf dem Themenfeld Nachhaltigkeit und Klima inhaltlich nicht wesentlich verändert: Klimawandel, Artensterben und die Betonung der Kosten für eine Transformation werden vor allem als Kampf gegen eine drohende Katastrophe dargestellt. Furchtappelle bewirken jedoch nur in begrenztem Maße Veränderungen. Diese Betonung der Angst statt der Hoffnung in öffentlichen, politischen und medialen Debatten stellt innergesellschaftliche, generationenübergreifende und internationale Interessengruppen gegeneinander. Die Konzentration auf technische Lösungen vernachlässigt die sektorübergreifende und insbesondere die soziale Dimension der Herausforderungen und Chancen im Zusammenhang mit nachhaltigen Entwicklungen. Das Versäumnis, die sektorübergreifenden Vorteile zu kommunizieren, untergräbt auch die Fähigkeit, sektorübergreifende Lösungen für sektorübergreifende Probleme zu verfolgen. Vor allem unterminiert das Versäumnis, alternative, konstruktive Zukunftsszenarien – verbunden mit Botschaften von Hoffnung, Selbstwirksamkeit und Inklusivität – zu vermitteln, die weitreichende Mobilisierung gerade marginalisierter und exkludierter Gruppen, die ihre Selbstwirksamkeit schon grundsätzlich als begrenzt erleben. Dies beschränkt das dringend erforderliche breitere öffentliche Engagement und die breite gesellschaftliche Akzeptanz für die sozial-ökologische Transformation und insbesondere die gleichberechtigte Beteiligung benachteiligter Interessengruppen.

In Anbetracht dieser Aspekte ist der derzeitige Diskurs sowohl kontraproduktiv als auch ungerecht: Seine konzeptionelle Voreingenommenheit hat Auswirkungen auf die soziale Gerechtigkeit, die die soziopolitische Polarisierung verstärken und benachteiligte Bevölkerungsgruppen noch weiter marginalisieren.

Ziel des von uns vorgestellten Projektes ist es, benachteiligte junge Bevölkerungsgruppen in ihrer psychosozialen Resilienz, ihren Demokratiekompetenzen, ihrer Selbstwirksamkeit und ihrer sozialen und politischen Partizipation zu stärken und sie als Akteurinnen von Klimaschutz und politische Mitgestalterinnen einer gerechten Transformation zu mobilisieren.

In einem Teilprojekt werden zielgruppenspezifische Narrativ- und Kommunikationsstrategien entwickelt, die den spezifischen psycho-sozialen Anforderungen der Zielgruppen gerecht werden und ihre Resilienz, Selbstwirksamkeit und soziale Teilhabe in der Gestaltung der Klimawende fördern. Mit Blick auf das Ziel der Teilhabe werden im Projekt partizipative und peer-geführte Formate eingesetzt (youth-led participation).

Wir argumentieren, dass Kommunikationsansätze, die den Handlungsbedarf aus einer Verpflichtung zu sozialer Gerechtigkeit ableiten, ein neues Potenzial bieten, um das gesellschaftliche Mandat für eine nachhaltige Zukunft zu erhöhen. Da das Engagement von der Aussicht auf eine gerechtere Zukunft inspiriert ist, hat dieser Ansatz der Partizipation auch erhebliche Auswirkungen auf eine nachhaltige Einbindung marginalisierter Gruppen. Alle Stakeholder müssen zusammengedacht werden, um eine sozial-ökologische Transformation zu gestalten.

E. Demke: Material turn meets Mad Studies: Performanz von Betroffenenkontrolle und Transformation von Forschung in der Entstehung des MAD_Museum anderer Dinge

Der geplante Beitrag wird eine Projektvorstellung mit der Diskussion theoretischer Perspektiven verbinden. Im Zentrum steht das Projekt „Ding-Bedeutungen in Krisen-, Verrücktheits- und Psychiatrie-Erfahrungen“, das 2018-2022 an der Medizinischen Hochschule Brandenburg durchgeführt wurde, und Teil des vom BMBF geförderten Forschungsverbunds „Sinn-Überschuss und Sinn-Reduktion von, durch und mit Objekten. Kulturtechniken zur Bewältigung des Außergewöhnlichen“ war. Eine Besonderheit war dabei die Verortung in den in Deutschland noch kaum bekannten Mad Studies. Diese entwickelten sich in den letzten zwei Jahrzehnten insbesondere in Kanada aus der Verbindung von Aktivismus und Wissenschaft – „Kollaboration“ und/oder „Betroffenenkontrolle“ sind insofern Kern-Voraussetzungen dieses Ansatzes. Dabei war u.a. die Hinwendung zu einem alle Beteiligten verändernden Verständnis von Kollaboration und die Verabschiedung von in den 1990er Jahren etablierten Formen der Partizipation in der Mental Health-Forschung prägend für die Entstehung der Mad Studies. Das vorzustellende Projekt umfasste betroffenenkontrollierte, kollaborative und partizipative Elemente. Die interviewbasierte Forschung wurde mit Wissenschaftskommunikation in Form des Online-Museums www.museum-anderer-dinge.de verknüpft. Im Zuge der Planung und Gestaltung dieses Online-Museums wurden Interviewpartner:innen zu Museums-Stifter:innen; ein Prozess, der die Forschung über die betroffenenkontrollierte Rahmung hinausgehend maßgeblich transformierte. Der Beitrag wird das Projekt vorstellen und dabei die Reflexion des genannten Prozesses ins Zentrum stellen. Dabei wird es um folgende Fragen gehen: Wie wurden die Rollen der „Forschenden“ und der „Kollaborierenden“ bzw. „Partizipierenden“ in der Interaktion ausgehandelt, wie beeinflusste dies die Wissensproduktion und veränderte Handlungsmöglichkeiten der Beteiligten? Welche besonderen Möglichkeiten bot der Rückgriff auf Ansätze des Material Turn, um die notwendige Offenheit des Forschungsprozesses theoretisch zu rahmen? In der gebotenen Kürze möchte der geplante Beitrag damit auch eine schlaglichtartige Einführung in die Mad Studies und deren Ethiken der Wissensproduktion bieten.

A. Bornemann, L. Schrader, G. Seidel, M.-L. Dierks: Herausforderungen des partizipativen Vorgehens bei der Entwicklung eines Kurses zur Steigerung der digitalen Gesundheitskompetenz

Digitale Anwendungen sind im Gesundheitswesen inzwischen weit verbreitet, so werden beispielsweise die Elektronische Patientenakte, Elektronische Rezepte oder Videosprechstunden immer mehr genutzt. Deshalb benötigen gerade Menschen mit chronischen Erkrankungen digitale Gesundheitskompetenz, eine Fähigkeit, die (noch) nicht alle Menschen in ausgeprägter Weise haben. Um diese Gesundheitskompetenz zu stärken, hat der Gesetzgeber die Krankenkassen aufgefordert, für ihre Versicherten entsprechende Maßnahmen anzubieten. Diese Forderung wurde von der BARMER in Kooperation mit der Medizinischen Hochschule Hannover, der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe e.V. (BAG Selbsthilfe), der Selbsthilfekoordination Bayern (SeKo Bayern) und der Nationalen Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen (NAKOS) aufgegriffen. In einem partizipativen Entwicklungsprozess in Anlehnung an die Partizipationspyramide nach Straßburger und Rieger wurde das 6-teilige, digitale Schulungsangebot (KundiG) für Menschen mit chronischen Erkrankungen entwickelt und evaluiert. Methodisches Konzept Hintergrund des Verfahrens bietet die Partizipationspyramide, die eine doppelte Sicht auf die Beteiligung enthält – die der professionellen Akteure und Institutionen auf der einen Seite, die der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite. Die Partizipationsstufen aus Sicht der professionellen Akteure beziehen sich auf Vorstufen (informieren (1), befragen (2), anhören (3)) und partizipative Stufen (Mitbestimmung zulassen (4), Entscheidungskompetenz abgeben (5), Entscheidungsmacht übertragen (6)). In dem Prozess wurde mit 8 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, 5 Personen aus der Selbsthilfe sowie 3 Personen der Barmer ein sechsteiliger Online-Kurs (je 2,5 Stunden) konzipiert, der dann im Rahmen von acht Kursen (TN Menschen mit chronischen Erkrankungen) durchgeführt und evaluiert wurde. Ein Basiskonzept war von Forschenden der MHH erarbeitet worden, dieses wurde mit allen Beteiligten in Bezug auf Inhalte, Tiefe der Themen, Prioritäten, Ablauf und didaktische Umsetzung überarbeitet. Parallel wurden umfangreiche Kursmaterialien entwickelt (Begleithefte, Foliensatz, Kursmanual), die Beobachtung aller Kurseinheiten im Rahmen der Evaluation erfolgte ebenfalls in einem partizipativen Vorgehen. Die gemeinsame Arbeit erfolgte in paritätisch besetzten Projektgruppen. Ein Steuerungsteam, in dem alle Gruppen eine Stimme hatten, war für die abschließende Konsentierung zuständig. Die gelebte Partizipation fand auf den Stufen 4-5 statt. Alle Beteiligten wurden gleichermaßen in die Entscheidungen eingebunden, die Entwicklungen im Konsensverfahren diskutiert und abschließende Entscheidungen im Mehrheitsprinzip getroffen. Die Evaluationsergebnisse wurden ebenfalls gemeinsam erarbeitet und in die Materialien integriert. Alle Prozessschritte wurden protokolliert, Änderungen an den Materialien Schritt für Schritt festgehalten, im Vorgehen ggf. überarbeitet und schließlich als Konzept verabschiedet. Dazu wurde eine spezielle Online-Plattform genutzt, mit der ein hohes Maß an Transparenz erzielt werden konnte. Erfahrungen mit dem partizipativen Vorgehen

  • 1. Kurseinheiten von 6 x 2,5 Stunden und mehr als 22 Einzelthemen bedeuteten eine umfangreiche Bearbeitung der Kursmaterialien, mit entsprechend häufigen Treffen, durchaus kontroversen Diskussion und Abstimmungsrunden.
  • 2. Die gemeinsame Arbeit an den Themen und der Didaktik hat dazu beigetragen, die Perspektive der chronisch Kranken und die der Versicherten systematisch zu integrieren, und so ein von den Teilnehmenden der acht Kurse als sehr gut evaluiertes Kurskonzept zu gestalten.
  • 3. Wie in anderen Gruppenprozessen auch, gestaltete sich die Terminfindung für gemeinsame Besprechungen durchaus herausfordernd, nicht zuletzt, weil ein partizipatives Vorgehen eine hohe Termindichte mit sich bringt.
  • 4. Dies führte dazu, dass nicht alle Teilnehmenden zu allen Terminen anwesend sein konnten, auch die Bearbeitung über die Online-Plattform fand nicht gleichermaßen aktiv statt.

Die Vorteile der partizipativen Projektdurchführung im Rahmen des KundiG-Programms überwiegen in hohem Maß die skizzierten Stolpersteine. Die Zusammenarbeit aus unterschiedlichen Fachgebieten ermöglicht im Ergebnis ein nutzerorientiertes Programm, das auf Grund der fortschreitenden digitalen Entwicklungen im Gesundheitswesen einer stetigen Weiterentwicklung und Aktualisierung bedarf. Dafür ist das partizipative Vorgehen weiterhin unerlässlich.

J. Schmitt, S. Simon: Von Sekunde Null: Partizipative Beteiligung der Gesellschaft am Agendasetting in der Wissenschaft

Die Bedeutung adaptiver und partizipativer wissenschaftlicher Forschungsprozesses außerhalb des sprichwörtlichen Elfenbeinturms nimmt zu. Dies gilt insbesondere für die Digitalisierungsforschung, wo Themen unter Berücksichtigung ihrer mehrdimensionalen sozio-technologischen Interdependenzen untersucht werden. Wie reagiert die Digitalisierungsforschung auf diese komplexen Zusammenhänge? Wie können aktuelle Themen unter Berücksichtigung der Bedürfnisse unterschiedlicher gesellschaftlicher Stakeholder identifiziert werden?
In vielen von agilen Arbeitsmethoden geprägten wirtschaftlichen Bereichen werden die Beteiligung und Zusammenarbeit verschiedener Interessengruppen als grundlegender Bestandteil von Arbeitsprozessen angesehen, wodurch inter- und transdisziplinäre Synergien geschaffen und genutzt werden. Auch die wissenschaftliche Forschung blickt auf eine vielversprechende Geschichte verschiedener partizipativer Ansätze zurück.
Im CAIS-Forschungsinkubators verbinden wir die Ansätze aus Wissenschaft und Praxis, um mit gesellschaftlichen Stakeholdern fortlaufend relevante Forschungsthemen für die Digitalisierungsforschung zu erarbeiten. In einer ersten Iteration, zwischen 2019 und 2021, wurden basierend auf dem Innovations-Framework „Double Diamond“ in mehreren partizipativen Studien Themen für die ersten drei CAIS-Forschungsprogramme identifiziert.
Seitdem führen wir den Themenfindungsprozess in diversen partizipativen Formaten mit den unterschiedlichsten Zielgruppen und Methoden weiter. Ziel ist es einerseits, Menschen bereits in einer sehr frühen Phase—noch bevor das eigentliche Forschungsprojekt startet—an Wissenschaft zu beteiligen. Andererseits wollen wir damit die Relevanz und Akzeptanz unserer Forschung stärken, indem Perspektiven von Personen in die Formulierung von Fragestellungen eingebunden werden, die in diesem Bereich nur selten eine Stimme haben.
Auf der Konferenz möchten wir Ergebnisse unterschiedlicher Formate vorstellen und diskutieren, die wir seit 2021 durchgeführt haben. Schwerpunkt liegt dabei auf ersten Ergebnissen einer qualitativen Studie, die wir im Sommer 2023 im Rahmen eines Musikfestivals durchgeführt haben. Um zu erfahren, was den Menschen im Hinblick auf die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung für Individuum und Gesellschaft wichtig ist, haben wir sie ihren Blick in die Zukunft einer von Digitalisierung geprägten Gesellschaft malen lassen. In diesem Zusammenhang waren wir insbesondere an ihrer Vorstellung der Verbindung von Nachhaltigkeit und Digitalisierung interessiert.

A. Debourdeau, C. Lüder: Von Akzeptanz zu Akzeptabilität – eine Begriffsöffnung zur Förderung von inter- und transdisziplinärer Zusammenarbeit in der Energieforschung

Besonders in der Energieforschung ist der Akzeptanzbegriff weit verbreitet, wenn es darum geht gesellschaftliche Aspekte in der Technologieentwicklung und insbesondere in der regulativen Gestaltung des Energiesystems zu berücksichtigen. Aus sozialwissenschaft-licher Sicht ist klar, dass diese Engführung die sozialen Belange im Energiesystem unzureichend erfasst. Von Akzeptanz zu sprechen, verkürzt komplexe sozio-technische Konstellationen auf eine unidirektionale Perspektive, die für die Ausgestaltung des sich derzeit in akuter Transformation befindenden Energiesystems hinderlich ist.
Mit der sich anbahnenden Dezentralität der Energieversorgung entstehen neue Akteursrollen (z.B. Prosumer*innen) und neue Relationierungen zwischen Energieanlagen und Haushalten. Energie rückt in die sichtbare Mitte der Gesellschaft und entzündet damit auch Aushandlungsprozesse zwischen Wissenschaft und Gesellschaft, die in transdiszi-plinären Projekten, wie das BMWK (Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz) sie nun verstärkt fördern will, bearbeitet werden.
Für die fruchtbare inter- und transdisziplinäre Zusammenarbeit bedarf es Verständigungs-modi, die einerseits zielführend verwendet werden können und gleichzeitig offen für wechselseitige Interpretationen sind. Der Akzeptanzbegriff ist beides nicht. Der Beitrag schlägt daher die Erweiterung zum Begriff der Akzeptabilität vor. Der aus dem Englischen entlehnte Begriff (Lennon et al. 2019) besteht darin, die binäre Sicht der Akzeptanz (d. h. Entweder man akzeptiert oder nicht) durch eine ko-produzierte Akzeptabilität (und ebenso eventuell Inakzeptabilität) zu ersetzen, die die ganze Brandbreite der Energiewende in Betracht nimmt, von Energiepolitik bis zu lokalen Projekte. Eine ko-produzierte Akzeptabilität schlägt nämlich eine dynamische und prozess-orientierte Gestaltung der Energiewende vor, die zu einem erweiterten und vertieften bürgerschaftlichen Engagement beitragen kann. Mit dieser Öffnung ist es besser möglich, inter- und transdisziplinäre Wissensarbeit zu gestalten, die zu einem flexiblen, gerechten und sozial ausgehandelten Energiesystem beitragen können.

Lisa von Wittenhorst zu Sonsfeld, Sarah Welter, Elisabeth Beusker, Thomas Schreiber, Dirk Müller: Partizipative Bausteine für die Energiewende – Erfahrungen aus dem Reallabor SmartQuart

Partizipative Bausteine für die Energiewende– Erfahrungen aus dem
Reallabor SmartQuart
Lisa von Wittenhorst zu Sonsfeld, Sarah Welter, Elisabeth Beusker, Thomas Schreiber, Dirk Müller
Die Energiewende ist ein wichtiger Baustein, um das Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2045 zu
erreichen, das sich Deutschland im Rahmen des Pariser Abkommens gesetzt hat. Die notwendigen
Maßnahmen betreffen viele Lebensbereiche und bringen zahlreiche Veränderungen mit sich. Die
Energiewende ist daher als gesamtgesellschaftliche Transformation und Herausforderung zu verstehen,
die nur durch die Einbindung und Akzeptanz aller relevanten Akteure und der Gesellschaft funktionieren
kann.
SmartQuart soll als erstes Reallabor der Energiewende zeigen, dass die Umsetzung der Energiewende
im Quartier bereits heute technisch und wirtschaftlich möglich ist. Dazu wird die Energiewende
exemplarisch an drei Standorten in Deutschland umgesetzt: in einem Neubaugebiet in der Kleinstadt
Bedburg, in einem Industrie- und Gewerbegebiet in der Verbandsgemeinde Kaisersesch und in einem
digitalen Quartier mit Wohn- und Geschäftsgebäuden in Nordrhein-Westfalen. Um eine hohe Akzeptanz
der Maßnahmen und Konzepte zu erreichen und diese später auf ganz Deutschland übertragbar zu
machen, werden von Beginn an die Interessen, Wünsche und Bedarfe der beteiligten Akteure ermittelt
und einbezogen. Dies geschieht durch verschiedene partizipative Maßnahmen im Projekt.
Im Rahmen dieses Beitrages soll ein Einblick in die Partizipationsbausteine gegeben werden, die im
Zuge des Reallabors SmartQuart konzipiert und integriert wurden. Dazu gehören Informations- und
Kommunikationsmedien, verschiedene Veranstaltungsformate sowie Beteiligung in Form von
Interviews, Befragungen und Monitoring. Dabei werden insbesondere die Potentiale und
Herausforderungen, die sich bei der Umsetzung im Projekt ergeben haben, aufgegriffen und auf dem
Poster diskutiert und bewertet.

B. Droste-Franke: Partizipative Forschung in der rationalen Technikfolgenabschätzung für die robuste Gestaltung technologischer Systeme

Die langfristig-zukunftsfähige Gestaltung von Technologien erfordert es, dass nicht nur die technologische Perspektive, sondern auch weitere fachliche Perspektiven bis hin zu Erfahrungswissen berücksichtigt werden. Das gilt insbesondere, da die Technologieerstellung und -nutzung häufig mit gesellschaftlichen Aspekten eng verwoben ist. Letztendlich handelt es sich um sogenannte sozio-technische Systeme. Die besonderen Herausforderungen sind sehr gut im Zusammenhang mit der Gestaltung zukünftiger Energiesysteme mit deutlich höherer Nutzung nicht durchgängig verfügbarer erneuerbarer Energien als Energiequellen. Die Zahl neuer, zunehmend dezentral installierter Anlagen, zur Energieumwandlung steigt kontinuierlich im System, wodurch nicht nur die technischen Herausforderungen, z.B. bei den Stromnetzen, steigen, sondern sich auch Akteure sowie ihre Rollen und Verantwortlichkeiten verändern. Im Beitrag werden die methodischen Ansätze zur partizipativen Forschung des IQIB, basierend auf rationaler Technikfolgenabschätzung (TA), diskutiert und ihr Einsatz an Beispielen aktueller Projekte dargestellt.
Ausgehend von dem Ansatz der rationalen Technikfolgenabschätzung (TA) wird zunächst eine epistemisch und sozial robuste Politikberatung als Ziel abgeleitet. Unter anderem wird als wesentliche Grundlage die geeignete Erarbeitung und Zusammenstellung von Handlungs-, System- und Bewertungswissen herausgestellt.
Darauf aufbauend werden die verschiedenen theoretischen und praktischen Herausforderungen einer solchen Politikberatung analysiert. Im zweiten Teil des Beitrags werden verschiedene Instrumente in Umsetzungsbeispielen vorgestellt. Dazu zählen die Konstruktion und der Einsatz inter- und transdisziplinärer Expertengruppen in unterschiedlichen Kontexten, die Nutzung von Visualisierungsmöglichkeiten zur transparenten Darstellung komplizierter und komplexer Zusammenhänge, sowie die Gestaltung und Umsetzung computergestützter Analysen und Modelle bis hin zu agentenbasierter Modellierung in Co-Design-Prozessen.
Grundlage bilden Erfahrungen aus einer Reihe durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderter Forschungsvorhaben zur Analyse und Gestaltung zukünftiger Energiesysteme auf nationaler und regionaler Ebene. Konkrete Beispiele sind unter anderem die Innovations- und Projektgruppe sowie das Szenariotool und Visualisierungen im Projekt EnAHRgie („Nachhaltige Gestaltung der Landnutzung und Energieversorgung auf kommunaler Ebene. Umsetzung für die Modellregion Kreis Ahrweiler“, BMBF), die Gestaltung detaillierter Systemanalysen mit zugehöriger Visualisierung für ein „Decision Theater“ in einem Co-Design-Prozess und Analysen einer Expertengruppe im Projekt ReMoDigital („Resilienz-Monitoring für die Digitalisierung der Energiewende“, BMWK) und die Erarbeitung agentenbasierter Modelle, u.a. im Projekt MANIFOLD („Modellentwicklung und Modellkopplung zu Akteursverhalten in Innovations- und Diffusionsnetzwerken“, BMWK).

C. Howe: Prozesse partizipativer und transdisziplinärer Forschung und Umsetzung im Kontext von Polizei

Die sogenannte Berliner Polizeistudie mit Fokus auf Diskriminierungen und insbesondere Rassismen wurde von Mai 2021 – April 2022 durchgeführt. Es fanden neben Expert:inneninterviews mit betroffener Seite, ethnografische Begleitungen über mehrere Monate in fünf polizeilichen Dienststellen statt. In diesen Rahmen wurden Handlungsempfehlungen entwickelt, die nun umgesetzt werden sollen. Dieser Umsetzunhsprozess wird von uns seit Juni 2023 unterstützt, begleitet und beforscht. Unter Einbezug von verschiedenen Vertreter:innen polizeilicher Dienststellen sowie unterschiedlichen Akteur:innen aus der Zivilgesellschaft und jeweils verschiedenen Formaten wird dieser Prozess im Grundzug Schritt für Schritt gemeinsam erprobt. Der Beitrag schildert in aller Kürze die Herausforderungen, Verwicklungen und Möglichkeiten, insbesondere auch im Hinblick auf die phasenweise unterschiedlichen Rollen, die die Wissenschaft*lerinnen einnehmen und möchte hierzu in einen Austausch kommen.

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